Die Türkei verhindert die Ernennung von Österreichs Ex-Außenministerin zur OSZE-Generalsekretärin. Offenbar eine Retourkutsche: Plassnik ließ 2005 den Start der EU-Beitrittsverhandlungen beinahe platzen.
Wien. Es ist eine klassische Retourkutsche: Im Mai 2005 hätte Ursula Plassnik beinahe den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei platzen lassen. Sechs Jahre später verhindert die Türkei die Ernennung der ehemaligen österreichischen Außenministerin zur neuen Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Ankara hat seine Einwände gegen Plassnik dem litauischen OSZE-Vorsitz offiziell mitgeteilt. „Zu diesem Zeitpunkt schließen wir uns nicht dem Konsens an. Es liegt an der Präsidentschaft, einen Ausweg zu finden“, sagte ein hochrangiger türkischer Diplomat zur „Presse am Sonntag“.
Litauen hatte Plassnik am Montag in einem Brief an alle 56 Mitgliedstaaten als neue OSZE-Generalsekretärin vorgeschlagen. Von allen Bewerbern für den Chefposten der in Wien ansässigen Organisation genieße sie die breiteste Zustimmung, schrieb der litauische Außenminister Audronius Ažubalis und bat um Stellungnahmen bis Sonntag, 12 Uhr.
Dieser Aufforderung ist die Türkei nun nachgekommen. Außenminister Michael Spindelegger ist verärgert. „Die Ankündigung der Türkei, ein Veto gegen die österreichische Kandidatin einzulegen zu wollen, ist unsachlich und in keiner Weise gerechtfertigt. Sollte sich dies bewahrheiten, würde das einen deutlichen Schatten auf die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei werfen“, sagte er zur „Presse am Sonntag“.
Der Vizekanzler fühlt sich hintergangen. Denn seinen Angaben zufolge hat er mit Präsident Abdullah Gül bei dessen Staatsbesuch Anfang Mai in Wien vereinbart, dass sich die Türkei und Österreich bei der OSZE-Wahl gegenseitig nicht blockieren. Das türkische Außenamt widerspricht dieser Darstellung. „Es gab nie eine solche Übereinkunft.“
Die Amtszeit des französischen OSZE-Generalsekretärs, Marc Perrin de Brichambaut, endet am 30. Juni. Die 56 Mitgliedstaaten vergeben den Posten konsensuell. Das heißt: Das Vorsitzland, in diesem Fall Litauen, empfiehlt einen Kandidaten, der als gewählt gilt, wenn kein Land Widerspruch erhebt.
Die Türkei schickte mit Ersin Erçin einen eigenen Bewerber ins Rennen. Italien stellte Lamberto Zannier, den ehemaligen Chef der UNO-Mission im Kosovo, auf. Auch Portugal meldete seine Anwartschaft an: mit João Soares, Ex-Bürgermeister von Lissabon. Keiner von ihnen hatte auch nur annähernd so viel Zustimmung wie Plassnik, hinter der zwei Drittel der OSZE-Mitglieder standen. „Das ist ein klares internationales Votum“, sagte Spindelegger. Großbritannien und Frankreich intervenierten zuletzt für Plassnik in Ankara. Spindelegger telefonierte mehrmals mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoğlu. Doch die Türkei blieb hart – und schoss Plassnik ab. Sie wird nun Botschafterin in Paris.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 5. Juni 2011)