Tote und Verletzte bei Golan-Erstürmung

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Israelische Soldaten feuerten in österreichischem Einsatzbereich auf Palästinenser. Hunderte Palästinenser hatten versucht, die Grenze zu den von Israel annektierten Golanhöhen zu überqueren.

Jerusalem. Auf den Golanhöhen und im Westjordanland ist es bei Demonstrationen gegen die israelische Besatzung am Wochenende zu schweren Ausschreitungen gekommen. „Entweder wir sterben für Allah oder kehren in unsere Heimat zurück“, riefen die Demonstranten, die sich auf syrischer Seite den Grenzanlagen näherten. Berichte des staatlichen syrischen TV, wonach gestern, Sonntag, mindestens 23 Demonstranten von Soldaten erschossen und mindestens 350 Menschen verletzt worden waren, wollte die israelische Armee zunächst nicht bestätigen.

Hunderte Palästinenser hatten versucht, die Grenze zu den von Israel annektierten Golanhöhen zu überqueren. Vom Zwischenfall am Sonntag war laut einem Sprecher des österreichischen Bundesheers auch der österreichische Einsatzbereich bei der syrischen Geisterstadt Kuneitra (Quneitra) betroffen. Bundesheer-Soldaten seien aber nicht involviert gewesen oder verletzt worden.

Scharfe Munition und Tränengas

Die israelischen Soldaten hatten mit Tränengas und scharfer Munition die Demonstranten an der Stelle zurückgetrieben, wo erst Mitte Mai einigen Dutzend palästinensischen Flüchtlingen die Grenzüberquerung gelungen war. Die Palästinenser waren bis zu dem Drusendorf Majd el-Shams vorgedrungen, wo sie mit Unterstützung der lokalen Bevölkerung mehrere Stunden für das Ende der Besatzung demonstriert hatten.

Auch im Westjordanland begingen Palästinenser den „Naksa-Tag“, mit dem sie der arabischen Niederlage im Sechs-Tage-Krieg gedenken. In Ostjerusalem, in der Nähe von Bethlehem und in Tulkarem kam es zu Demonstrationen. Die schlimmsten Ausschreitungen fanden am Kalandia-Grenzkontrollpunkt zwischen Jerusalem und Ramallah statt. Dort wurden einige Demonstranten verletzt, mindestens 20 wurden verhaftet.

An den Trennanlagen zum Gazastreifen blieb es aber weitgehend ruhig. Dort hielten Hamas-Sicherheitskräfte Demonstranten zurück. Auch an der libanesischen Grenze blieben die in Israel befürchteten Auseinandersetzungen aus, weil die Demonstrationszüge noch auf libanesischer Seite von der dortigen Armee aufgehalten wurden.

Staat in den Grenzen von 1967

„Die syrische Regierung hat kein Interesse daran, die Demonstrationen zu verhindern“, erklärt Eyal Sisser, Syrien-Experte am Mosche-Dayan-Zentrum der Universität Tel Aviv. „Zum einen hat (Präsident Baschar, Anm.) Assad im Moment andere Dinge, die ihn beschäftigen“, zum Zweiten käme ihm die Ablenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit von regierungsfeindlichen Demonstrationen in Syrien durchaus gelegen. Sisser glaubt nicht, dass mit verschärften Eskalationen zu rechnen ist, und hält die Berichte des staatlichen Fernsehsenders in Damaskus „für gelogen“.

In Tel Aviv hatten am Vorabend Friedensorganisationen der linken Parteien, darunter die Arbeitspartei und eine linke Gruppe innerhalb der Kadima, die Regierung aufgefordert, einem Staat Palästina zuzustimmen. Auch Saeb Erikat, früher palästinensischer Chefunterhändler bei den Friedensverhandlungen, rief anlässlich des 44. Jahrestages des Beginns der Besatzung die internationale Gemeinschaft auf, den Staat Palästina in den Grenzen von 1967 anzuerkennen.

Hintergrund

Die UNO überwacht seit 1974 auf den Golan-Höhen die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 – damals hat Israel große Teile des Gebiets von Syrien erobert. Die UN-Truppe (UNDOF) zählt mehr als 1000 Soldaten, das größte Kontingent (derzeit rund 380 Mann) stellt seit jeher Österreichs Bundesheer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 6. Juni 2011)

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