Jemen: "Diese Revolution ist doch ein Witz"

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Yahya Saleh, Chef der Elitetruppen und Neffe des Präsidenten Ali Abdullah Saleh, sieht im Interview mit der "Presse" keine Gefahr für das jemenitische Regime durch die Protestbewegung. Und er warnt vor al-Qaida.

Sanaa. Kilometerlang ziehen sich die Zeltreihen der jugendlichen Demonstranten hin. In Jemens Hauptstadt Sanaa campieren zehntausende Menschen, die einen Sturz des Regimes fordern. Teile der Armee haben sich dem Aufstand angeschlossen. Fünf Monate dauern nun schon die Massendemonstrationen gegen das Regime von Präsident Ali Abdullah Saleh, der seit 33 Jahren an der Macht ist. Der bei einem Sprengstoffattentat verletzte Staatschef liegt in Saudiarabien im Krankenhaus. Er klammert sich weiterhin an die Macht, die ihm im Jemen vor allem zwei Männer sichern – sein Sohn Ahmed Ali und sein Neffe Yahya Saleh. Beide kontrollieren die Elitetruppen und Geheimdienste des Landes. Die „Presse“ traf Yahya Saleh zu einem Interview in seinem streng bewachten Hauptquartier in Sanaa.

Die Presse: Ihr Onkel, Präsident Saleh, wäre um ein Haar bei dem Attentat am 3. Juni ums Leben gekommen. Wer sind die Urheber?

Yahya Mohammed Abdullah Saleh: Wir haben zahlreiche Verdächtige festgenommen. Wir werden auch die Hintermänner finden. Ich bin überrascht, dass die Opposition nach dem Anschlag den Rücktritt des Präsidenten fordert, obwohl er das Opfer ist. Die Opposition will nur verschleiern, dass sie in das Attentat verwickelt ist. Sie will das Land ins Chaos stürzen, um an die Macht zu kommen. Präsident Saleh aber wird zurückkommen, sobald er gesund ist. Das Datum entscheiden er und seine Ärzte.

Wie profitiert al-Qaida von der Krise? Die Kämpfer stehen bereits vor Aden.

Al-Qaida nutzt die Krise. Sie hat bereits die Städte Zinjibar und Lahj im Süden eingenommen. Ihr Ziel ist nun Aden, auch die USA sehen diese Gefahr. Die Staatengemeinschaft sollte verstehen, dass wir nicht gegen das jemenitische Volk kämpfen, sondern gegen den Terror.

Ein wichtiger General hat sich auf die Seite der Opposition gestellt. Wie wollen Sie den Terror da noch bekämpfen?

Die Spaltung des Militärs kann zum Bürgerkrieg führen. Aber die wichtigsten Einheiten der Armee und die anderen Sicherheitskräfte stehen zum Präsidenten. General Ali Mohsen hat nur wenige Truppen. Er verschanzt sich mitten in der Hauptstadt, bereitet sich auf einen Krieg vor. Wären seine Einheiten außerhalb der Stadt, hätten wir dem Spuk längst ein Ende gesetzt. General Mohsen ist ein Verräter. Präsident Saleh hat ihn groß gemacht. Ohne ihn wäre er nicht einmal Türsteher geworden. Und zum Dank lässt er sich nun mit den Islamisten ein.

Die Wirtschaft steht vor dem Zusammenbruch. Es gibt kein Benzin, das Wasser wird knapp. Die Landwirtschaft ist am Boden. Drohen Hungerrevolten?

Die Wirtschaftskrise ist noch gefährlicher als die politische. Sie kann zu einem Volksaufstand führen. Auch hinter der Wirtschaftskrise stehen die Fundamentalisten. Die oppositionellen Stämme sperren die Straßen. Benzin und Lebensmittel kommen nicht durch. Menschen werden entführt. Aber die Bevölkerung begreift nun, dass sich die Islamisten gegen die Regierung verschworen haben.

Sie schieben alles auf die Islamisten, aber die Revolution begann mit Jugendprotesten so wie in Ägypten.

Die USA und die Europäer sprechen immer nur über die Jugend, aber die jemenitische Realität blenden sie aus. Sie begreifen nicht, dass die Oppositionsparteien, die Stammesscheichs und al-Qaida die Fäden ziehen. Die instrumentalisieren die Jugendbewegung für ihre Ziele. Die Jugend wird vom Westen auf Händen getragen. Das Ergebnis wird sein, dass fanatische Fundamentalisten die Macht übernehmen.

Was schlagen Sie denn vor?

Wir sind bereit, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Einen Rücktritt des demokratisch gewählten Präsidenten und den von der Opposition geforderten Übergangsrat lehnen wir ab.

Die Jugend akzeptiert das nicht – sie fordert ein Ende des Saleh-Regimes.

Seit Februar versucht die Regierung, auf die Jugend einzugehen. Doch die Lage geriet außer Kontrolle. Es gab Vandalismus, Angriffe auf Ministerien – alles im Namen der Revolution. Die Protestbewegung hat nicht die Kraft, die Regierung zu stürzen. Es sind ein paar tausend Leute, die Ärger machen. Aber das Volk steht hinter dem Staatschef. Das ist doch keine echte Revolution. Das ist ein Witz. Die Protestierenden stehen seit fünf Monaten auf der Straße, aber das Volk zieht nicht mit. Der Westen sollte das zur Kenntnis nehmen.

Auf einen Blick

Yahya Mohammed Abdullah Saleh (42) kommandiert die jemenitischen Spezialkräfte, eine von den USA trainierte und ausgerüstete Eliteeinheit. Der General ist Neffe des Präsidenten Ali Abdullah Saleh und war zuletzt unter anderem für die Jagd auf Terrorgruppen zuständig. Mittlerweile ist Yahya Saleh eine der zentralen Figuren im Machtpoker des Landes. [Katharina Eglau]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2011)

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