Libyen: Moskau kritisiert Rebellenaufrüstung

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Russland sieht in Frankreichs Waffenlieferungen an die Aufständischen einen Verstoß gegen die UN-Resolution. Der Chef der Rebellenregierung, Mahmoud Jibril, fordert in Wien finanzielle Hilfe.

Wien/W.s./Hd/Reuters/Apa. Die Töne aus Moskau waren mehr als deutlich: „Falls es stimmt, dass Frankreich den libyschen Rebellen Waffen geliefert hat, wäre dies der gröbste Verstoß gegen den Libyen-Beschluss des UN-Sicherheitsrates“, kritisierte am Donnerstag Russlands Außenminister Sergej Lawrow. „Wir haben in Paris deswegen angefragt und warten auf Antwort.“ Am Mittwoch hatten französische Medien berichtet, die französischen Streitkräfte hätten vor allem Aufständischen im Westen Libyens Waffen und Munition geliefert. Die militärische Ausrüstung sei zum Teil aus der Luft abgeworfen worden.

Mahmoud Jibril, Chef des Exekutivrates der libyschen Rebellen in Bengasi, verteidigte am Donnerstag die Waffenlieferungen. „Der Aufstand gegen Diktator Gaddafi hat als friedliche Revolte der Jugend für ein Leben in Würde und Ehre und ein Leben mit wirtschaftlichen Perspektiven begonnen.“ Machthaber Muammar al-Gaddafi habe aber mit brutaler Gewalt reagiert, sagte Jibril bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Österreichs Außenminister Michael Spindelegger anlässlich seines Besuchs in Wien. Der bewaffnete Kampf sei den Revolutionären aufgedrängt worden. „Wir haben Waffen, um uns zu verteidigen. Aber wir haben nicht genug Waffen, um den Kampf zu entscheiden.“

„Wir haben kein Geld mehr“

Jibril forderte zudem, die eingefrorenen Finanzmittel Libyens rasch aufzutauen und dem Rebellen-Exekutivrat zur Verfügung zu stellen. Andernfalls sei es nicht mehr möglich, die Menschen in Libyen mit Medikamenten und Nahrungsmitteln zu versorgen. „Wir haben kein Geld mehr“, klagte Jibril. „Es ist doch einerlei, ob man im Bombenhagel oder an Hunger stirbt.“

Österreichs Außenminister Michael Spindelegger versprach seinem Gast, er werde prüfen lassen, wie ein rasches Auftauen der Gelder möglich sei. Österreich werde zudem schon demnächst 20 Tonnen an Hilfsgütern auf dem Seeweg nach Bengasi schicken. Jibril gab seinem wichtigsten Verbündeten quasi die Türklinke des Wiener Außenamts in die Hand: dem dänischen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Der ließ nach dem Treffen mit Spindelegger keinen Zweifel an der Entschlossenheit der Nato, die Angriffe auf die libyschen Regime-Truppen „zu einem erfolgreichen Ende“ zu führen. Man habe auch die nötigen Ressourcen dafür.

Rasmussen blieb weitgehend bei seinen seit Wochen verwendeten Stehsätzen: Die Nato habe in Libyen „ein Massaker verhindert“, man werde weiter alles Nötige tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Zu den französischen Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen äußerte er sich nur vage, legte aber Wert auf die Feststellung, dass die Nato nicht in diese Aktion involviert sei.

Eines hat sich allerdings in den vergangenen Wochen verändert: Der Nato-Generalsekretär gab sich keine Mühe mehr, die de facto bestehende Arbeitsteilung – Nato-Angriffe aus der Luft, Attacken auf dem Boden durch die Rebellen – in Abrede zu stellen: Das Kämpfen auf dem Boden müssten die Rebellen übernehmen, denn die Nato werde „sicherlich keine Bodentruppen entsenden“, meinte er, befragt zu den französischen Waffenlieferungen.

Schutz der Zivilisten

Diese stehen – wie Russland ja kritisiert – eigentlich im Widerspruch zur UN-Resolution 1970, in der ein umfassendes Waffenembargo über Libyen verhängt wurde. Paris argumentiert jedoch, die Ausnahme sei gerechtfertigt durch den Auftrag, die Zivilbevölkerung zu beschützen. Unter den westlichen Verbündeten wird seit Wochen darüber gestritten, ob man die Rebellen aufrüsten soll, um den Niedergang der Gaddafi-Truppen zu beschleunigen und damit auch ein früheres Ende des Nato-Einsatzes herbeizuführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)

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