KGB-Affäre: "Ein rechtswidriger Kniefall vor Russland"

  • Drucken

Der Grüne Peter Pilz wirft Österreich "Fluchthilfe" für Michail Golowatow vor. Auch Experten wundern sich über das Vorgehen der Behörden.

Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz hat wegen der Freilassung des Ex-KGB-Offiziers und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Michail Golowatow schwere Vorwürfe gegen Österreich erhoben. Pilz bezeichnete das Vorgehen der Behörden wörtlich als "einen rechtswidrigen Kniefall Österreichs vor Russland, um sich einen diplomatischen Konflikt zu ersparen".

Einer der brisantesten Fragen in der Causa lautet: Hat Russland für die Freilassung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers interveniert? Sogar "massiv", behauptet jetzt Pilz. In der Nacht nach Golowatows Verhaftung soll die russische Botschaft den Journaldienst des Außenamts angerufen und die "sofortige Freilassung" des heute 62-Jährigen verlangt haben. Daraufhin sei der Generalsekretär des Außenministeriums, Johannes Kyrle, informiert worden, so Pilz. Kyrle bestritt bisher, dass Moskau politisch interveniert hatte.

Golowatow war am vergangenen Donnerstag um 16.45 Uhr in Wien-Schwechat auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls verhaftet worden. Nicht einmal 24 Stunden später ließen ihn die Behörden laufen. Zuvor hatten sie Litauen mehrere Fristen gesetzt, um Unterlagen zur Konkretisierung des Tatverdachts nachzuliefern.

OGH-Urteil ignoriert?

Nach Ansicht Pilz' wurde dabei auch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) ignoriert. Im Jahr 1994 kam der OGH zu der Erkenntnis, dass keine strenge Verdachtsprüfung vorzunehmen ist, wenn ein schlüssiger ausländischer Haftbefehl vorliegt. Zur Erinnerung: Golowatow war Chef der Sondereinheit Alpha, die am 13. Jänner 1991 13 Unabhängigkeits-Aktivisten getötet hatte.

Pilz bezeichnete auch die gesetzten Fristen "als völlig unsinnig".  Die Unterlagen hätten binnen wenigen Stunden von Litauen übersetzt, nach Wien gesendet und geprüft werden müssen. In Anbetracht der Bürokratien in beiden Staaten sei klar gewesen: "Litauen kann das nicht erfüllen", so Pilz. Der Grüne ist deshalb überzeugt, dass Beamte des Justiz- und Außenministeriums nach der Verhaftung eine "Strategie zur Fluchthilfe ausgearbeitet" und mit Hilfe der engen Fristen umgesetzt haben.

Österreichs Vorgehen "ungewöhnlich"

Auch Strafrechtsexperte Klaus Schwaighofer wundert sich über das Vorgehen der österreichischen Behörden. Es sei sehr ungewöhnlich, dass die Staatsanwaltschaft sofort die Enthaftung veranlasst und nicht das Gericht entscheiden lässt, erklärte er im Ö1-Mittagsjournal. Zudem hätte Österreich Litauen eine deutlich längere Frist von "zumindest 48 Stunden" einräumen können. Nach dem europäischem Auslieferungseinkommen hätte Golowatow sogar bis zu 18 Tage festgehalten werden können, so Schwaighofer.

Der Russland-Experte Gerhard Mangott hält es für "plausibel", dass "Österreich dem an sich üblichen und verständlichen Druck Moskaus nachgegeben hat".  Beweise dafür gebe es nicht. Er habe aber Hinweise, dass Moskau in der Causa nicht nur mit dem Außen- sondern auch mit dem Justizministerium Kontakt hatte, so Mangott. Das russische Außenministerium soll demnach gegenüber der Tageszeitung "Komersant" die Übermittlungen von Démarchen (diplomatischen Positionen) zu dem Fall zugegeben haben. Experte Mangott kritisierte aber auch Litauen und nannte die Reaktionen auf die Freilassung "hysterisch". 

Vilnius überreichte unterdessen nach dem österreichischen auch dem russischen Botschafter in Vilnius eine Protestnote. Litauen verlangt darin Auskunft darüberr, ob Russland Einfluss auf die Freilassung Golowatows genommen hat. Die Anzeichen dafür verdichten sich jedenfalls.

Schengen-Visum für Golovatov zurückgezogen

Der Ex-KGB-Offizier war übrigens mit einem 2009 von Finnland ausgestellten Schengen-Visum unbehelligt durch Teile Europas eingereicht. Am Mittwoch wurde das Visum "sofort eingezogen", nachdem Helsinki von dem SIS(Schengen-Informationssystem, Anm.)-Suchbefehl erfahren hat, teilte das finnische Außenministerium am Donnerstag mit. Zum Zeitpunkt der Ausstellung hätte es in dem System noch keine Informationen über Golowatow gegeben.

Golowatows Rolle in Der Blutnacht

In der Nacht vom 13. Jänner 1991 starben in der litauischen Hauptstadt Vilnius vierzehn Menschen. Sie wollten den Fernsehturm im Unabhängigkeitskampf vor der sowjetischen KGB-Sondereinheit "Alpha" schützen. Die Elitetruppe "Alpha" feuerte in die Menge der Demonstranten. Das Massaker ist als "Blutnacht von Vilnius" in die Geschichte eingegangen. Damaliger Verantwortlicher für die "Alpha"-Truppe war Ex-KGB-Offizier Michail Golowatow.

Historiker bewerten den 13. Jänner 1991 als Wendepunkt für die Unabhängigkeits-Bestrebungen der baltischen Staaten. Im Anschluss daran erkannte Island als erster westlicher Staat die Unabhängigkeit der baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen an. Zwanzig Jahre später gehören die drei früheren Sowjetrepubliken dem westlichen Militärbündnis Nato und der Europäischen Union an.

(Red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.