Hama: Syrische Armee richtet Blutbad an

Hama Syrische Armee richtet
Hama Syrische Armee richtet(c) Reuters (REUTERS TV)
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Das Regime geht zu Beginn des Fastenmonats Ramadan hart gegen Demonstranten vor: Am frühen Sonntagmorgen waren Panzer und Elitesoldaten in die Stadt Hama eingedrungen, mindestens 95 Menschen wurden getötet.

Damaskus/Kairo. Einen Tag vor Beginn des Fastenmonats Ramadan hat die syrische Armee in der Stadt Hama ein Blutbad angerichtet. Wie die Nationale Organisation für Menschenrechte mitteilte, starben nach ersten Angaben bei einer Militäroffensive gegen die Stadt am Fluss Orontes mindestens 95 Menschen, im ganzen Land gab es über 120 Todesopfer.

Am frühen Sonntagmorgen waren Panzer und Elitesoldaten in die Stadt Hama eingedrungen, aus der sie sich Anfang Juli demonstrativ zurückgezogen hatten. Aus der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor wurden ebenfalls heftige Straßenkämpfe gemeldet – offenbar zwischen loyalen und abtrünnigen Armeeeinheiten des Regimes. Greifkommandos durchkämmten Vororte von Damaskus. Dutzende Menschen wurden bei Razzien abgeführt, darunter auch einer der Rebellenführer der östlichen Region Syriens.

Am heutigen Montag beginnt in der muslimischen Welt der Ramadan. Syrische Aktivisten hatten für den Fastenmonat tägliche Proteste angekündigt. Denn jeden Abend nach dem Fastenbrechen versammeln sich die Menschen in den Moscheen, die bisher nur freitags Ausgangspunkte der Demonstrationen waren. Offenbar will das Assad-Regime kurz vor Beginn des heiligen Monats die Bevölkerung mit rücksichtsloser Gewalt einschüchtern, um diese Ausweitung der Proteste zu verhindern.

Soldaten feuern wahllos

Nach Augenzeugenberichten sind die Straßen von Hama übersät mit Leichen und Verwundeten. Die Elitesoldaten unter dem Kommando des Präsidentenbruders Maher al-Assad gehen mit unbeschreiblicher Härte vor, wie erste Amateurvideos belegen. Häuser wurden mit Raketen beschossen, Menschen wahllos unter Feuer genommen, über der Stadt standen dunkle Rauchwolken. Die Bewohner versuchten, sich mit Molotowcocktails und Steinen zu wehren. Zahllose Verletzte wurden in die Krankenhäuser eingeliefert, die Ärzte riefen die Menschen zu Blutspenden auf. In Hama wie auch in Deir ez-Zor hatte es vor zwei Wochen die bisher größten Demonstrationen gegen das Regime von Präsident Bashir al-Assad gegeben, an der insgesamt 1,2 Millionen Menschen teilnahmen.

Ein Reporter der „New York Times“, der sich letzte Woche von Beirut aus über die grüne Grenze nach Hama durchschlagen konnte, berichtete, die Bewohner betrachteten ihre Stadt als vom Assad-Regime befreit und hätten begonnen, sich selbst zu verwalten. Die Menschen hätten Barrikaden in den Wohnvierteln errichtet, die die Panzer am Sonntag jedoch mühelos niederrollten. Assads Vater Hafez hatte bereits 1982 in Hama einen Aufstand mit extremer Brutalität niederschlagen lassen. Damals kamen mindestens 20.000 Menschen ums Leben, das größte Massaker eines nahöstlichen Diktators an der eigenen Bevölkerung in der modernen Geschichte.

„Krieg gegen eigene Leute“

Die internationale Gemeinschaft reagierte mit scharfer Kritik. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle drohte Damaskus weitere Sanktionen an: „Falls Präsident Assad weiter nicht zu einem Kurswechsel bereit ist, werden wir zusammen mit unseren Partnern in der EU weitere Sanktionen verhängen.“ Der britische Außenminister William Hague rief das Regime zur sofortigen Einstellung der Angriffe auf. Ein amerikanischer Diplomat in Damaskus sprach gegenüber Reuters von einem „Krieg gegen die eigene Bevölkerung“ und nannte das Vorgehen des Regimes „ausweglos“.

Laut Menschenrechtsorganisationen sind bei den viermonatigen Unruhen bisher mehr als 1700 Menschen ums Leben gekommen, über 26.000 wurden verhaftet und oft gefoltert, von ihnen sitzen nach wie vor rund 12.000 hinter Gittern. 2900 Menschen gelten als spurlos verschwunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2011)

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