Wenn Biker-Boss Putin in den Wahlkampf rast

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Kampagnenauftakt beim Wahlkampf in Russland. Bei der Dumawahl am 4. Dezember treten sieben Parteien an – einziehen könnten nur vier. Die Opposition klagt über Marginalisierung in den Medien.

Wien/Moskau. Jetzt ist er auch noch Biker! Zum Kampagnenauftakt der Dumawahl – Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew hatte zu Wochenbeginn offiziell den 4. Dezember zum Wahltermin erklärt – schwang sich Premier Wladimir Putin gestern auf seine Harley und kurvte als Anführer eines Motorradkorsos über die Boulevards des nächtlichen Noworossijsk.

Putins schrilles und zuletzt inflationäres Auftreten – man erinnere sich nur an den Premier als Fischer und Tiefseetaucher – kündigt einen Wahlkampf der schrillen Töne an. Eine nationalistisch aufgeladene Kampagne wird erwartet, sogar Präsident Dmitrij Medwedjew warnte unlängst vor dem Schüren von „Rassenhass“. Das Schrille kann allerdings ein Manko nicht übertünchen: den Mangel an Wettbewerb.

Die Opposition klagt über Marginalisierung in den Medien; Stimmmanipulationen seien wegen der händischen Auszählung und mangelnden Transparenz Tür und Tor geöffnet. Ob ein Biker-Putin die Russen näher an die Urnen bringt, ist indes zu bezweifeln. Laut einer Umfrage des unabhängigen Levada-Zentrums hält mehr als die Hälfte der Befragten die Wahl für eine „Imitation des politischen Kampfes“; nur ein wenig mehr als ein Drittel glaubt, dass ein wirklicher Konkurrenzkampf im Gange sei.

Liberale Opposition so gut wie chancenlos

Sieben Parteien treten zum Kampf um die 450 Sitze des russischen Unterhauses an – doch könnten nur vier Formationen den Einzug schaffen. Ein kurzer Überblick:
• Die Putin-Partei „Geeintes Russland“, mittlerweile im Volksmund als Partei der „Betrüger und Räuber“ verschrien. In Umfragen schneidet sie gegenwärtig nicht besonders gut ab – es könnte eng um die derzeitige Zweidrittelmehrheit werden.
• „Gerechtes Russland“ ist eine jener drei eigentlich regimenahen Oppositionskräfte, die neben Geeintes Russland in der Staatsduma sitzen. Die linksgerichtete Partei hat allerdings an Popularität verloren und könnte den Einzug verpassen.
• Wladimir Schirinowskis nationalistischer „Liberaldemokratischer Partei“ sowie den
• Kommunisten werden ein paar Prozentpunkte eingeräumt.
• Gute Chancen auf den Einzug hat „Gerechte Sache“, ein kolportiertes Kreml-Projekt, um desillusionierte Wirtschaftstreibende zu binden. Ihr Parteichef, der Multimillionär Michail Prochorow, will Russland ökonomisch stärker an Europa annähern und hat sogar vorgeschlagen, dass der Rubel durch den Euro ersetzt werden soll – was vielen Russen als reichliche absurde Idee gilt, offenbar aber liberale Wählerschichten anziehen soll. Auch die Duma solle wieder aufgewertet werden, heißt es im unlängst publizierten Manifest.
• Kaum Chancen auf Sitze haben hingegen die liberale Oppositionspartei „Jabloko“, seit 2007 nicht mehr in der Duma, sowie
• die „Patrioten Russlands“ („Patriotismus statt Politik!“) von Gennadi Semigin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31. August 2011)

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