Slowenische Regierung von Parlament abgewählt

Slowenisches Parlament dürfte Minderheitsregierung abwählen
Slowenisches Parlament dürfte Minderheitsregierung abwählen(c) REUTERS (Mohamad Torokman)
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Wie erwartet verlor der sozialdemokratische Premier Borut Pahor die Vertrauensabstimmung. Slowenien droht nun ein politisches Chaos.

In Slowenien hat das Parlament am Dienstagabend dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Borut Pahor das Misstrauen ausgesprochen. Dem von der Wirtschaftskrise schwer getroffenen Land droht nun ein politisches Chaos. Bis zum Antritt einer funktionsfähigen Regierung könnte nämlich mehr als ein Jahr vergehen, da die nächsten Wahlen erst im September 2012 stattfinden.

Pahor war nach dem Austritt der Koalitionsparteien "Zares" und DeSUS (Demokratische Pensionistenpartei) aufs Ganze gegangen und hatte die Nominierung von fünf neuen Ministern mit der Vertrauensfrage verknüpft. Ein waghalsiges Unterfangen, stellen die verbliebenen Regierungsparteien SD (Sozialdemokraten) und LDS (Liberaldemokraten) doch nur 33 der 90 Abgeordneten im Parlament. Schon vor Beginn der Parlamentsdebatte am Dienstagvormittag war klar, dass Pahor die Abstimmung, mit der er sich ein neues Mandat für seine umstrittene Reformpolitik holen wollte, verlieren wird. Neben der konservativen Opposition hatten sich nämlich auch die beiden Ex-Koalitionsparteien auf ein Nein festgelegt. Letztlich wurde Pahor mit 51 zu 36 Stimmen das Misstrauen ausgesprochen.

"Hampelmann" an Regierungsspitze"?

Der Sturz seiner Regierung sei "der Beginn einer politischen Krise, die den gesamten Staat in den kommenden Monaten lähmen wird", hatte Pahor vor der Abstimmung vergeblich gewarnt. Er spielte damit auf das Szenario an, dass bis zum regulären Wahltermin in einem Jahr ein "Hampelmann" an die Regierungsspitze gehievt werden soll.

Die slowenische Verfassung schreibt nun eine 30-tägige Suche nach einem neuen Regierungschef vor. Auch wenn sich öffentlich alle Parteien für vorgezogene Neuwahlen aussprechen, könnte die "Hampelmann"-Variante vor allem für die um den Wiedereinzug ins Parlament fürchtenden Mandatare attraktiv sein. Doch auch wenn es zu Neuwahlen kommt, werden diese wohl erst um den Jahreswechsel stattfinden. Damit wird in der slowenischen Politik wohl bis zum Antritt der neuen Regierung im Jänner oder Februar nichts weitergehen. Vier Monate, die in Zeiten der Euro-Schuldenkrise eine halbe Ewigkeit sind: Im einstigen EU-Musterschüler Slowenien schlitterten zahlreiche Paradeunternehmen in die Arbeitslosigkeit, die Zahl der Arbeitslosen hat sich in den vergangenen drei Jahren auf 110.000 verdoppelt und der Schuldenstand kletterte von 23 auf 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Fünf Volksabstimmungen verloren

Die Mitte-Links-Regierung agierte in den Krisenzeiten weitgehend hilflos. Praktisch seit ihrem Amtsantritt verstrickte sie sich in Richtungsstreitigkeiten und Affären, zuletzt war nicht einmal mehr die Hälfte der im November 2008 angelobten Minister im Amt. Endgültig zerbrach die Koalition im Frühsommer am Streit über die Reformpolitik. Während DeSUS bei der Anhebung des Pensionsalters nicht mitmachen wollte, warf "Zares" dem Regierungschef Zaghaftigkeit bei den Sozialreformen vor. Die solcherart zerstrittene Regierung verlor innerhalb eines halben Jahres fünf Volksabstimmungen. Im Juni scheiterte auch die Pensionsreform mit einer Drei-Viertel-Mehrheit an der Urne, obwohl Premier Pahor vor der Abstimmung ein Griechenland-Szenario für Slowenien an die Wand gemalt hatte.

Pahor will es trotz seines Scheiterns noch einmal wissen und seine Sozialdemokraten in die nächsten Wahlen führen. Auch wenn 83 Prozent der Slowenen mit seiner Regierung unzufrieden sind, sehen die Umfragewerte für die Pahors SD gar nicht so schlecht aus. Oppositionsführer Janez Jansa führt zwar klar, doch ist seine Amtszeit als Premier (2004-2008) vielen Slowenen in negativer Erinnerung. Während Jansa derzeit als mutmaßlicher Schmiergeldempfänger beim Patria-Panzerdeal vor Gericht steht, kann sich Pahor jetzt als Märtyrer inszenieren, der eher auf die Macht verzichtet hat als auf seine Reformpolitik. Vielleicht geht er auch deswegen, wie er nach der Abwahl beteuerte, "ohne Bitterkeit".

(Ag.)

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