USA: Die neue Hoffnung der Republikaner heißt Christie

(c) AP (Charles Dharapak)
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Der Gouverneur von New Jersey wird bekniet, in den Ring des Präsidentschaftswahlkampfs zu steigen. Der 49-Jährige hat sich eine Reputation als Vorkämpfer gegen Gewerkschaften erworben.

Washington. Alles war vorbereitet für die Weihe des Kandidaten: das Ambiente in der Ronald-Reagan-Bibliothek im kalifornischen Simi Valley; die Rede unter dem pompösen Titel „Die Einzigartigkeit Amerikas“; das Publikum mit Präsidentenwitwe Nancy Reagan, die ihm ihren Segen spenden sollte; schließlich die Liveübertragung im konservativen Haussender Fox News. Einzig der Wunschkandidat war nicht bereit, über seinen mächtigen Schatten zu springen.

Dabei machte Chris Christie, schwergewichtiger Gouverneur von New Jersey und jüngste Hoffnung der Republikaner, alles richtig – zumindest aus der Perspektive der Opposition. Pointiert prangerte er die Politik Barack Obamas an, den er als „Zuschauer im Weißen Haus“ verhöhnte. Was sei mit jenem jungen Senator passiert, der die Versöhnung predigte und nun den Amerikanern das Geld aus der Hose ziehen wolle?

Chris Christie porträtierte sich – nicht nur äußerlich – als Gegenmodell Obamas. Er verneigte sich vor Ronald Reagan, dem konservativen Säulenheiligen, und dessen Leitbild von der „Shining City on the Hill“, das den immerwährenden Glanz der US-Nation symbolisieren soll. Reagans Konflikt mit den Fluglotsen sei ihm als jungem Studenten vor 30 Jahren eine Inspiration gewesen, sagte er.

Der 49-Jährige, erst seit 20 Monaten im Amt, hat sich eine Reputation als unerschrockener Politiker und als bulliger Vorkämpfer gegen Gewerkschaften erworben. Er kürzte die Grundsteuern in New Jersey, er strich Zusatzzahlungen für Lehrer, er suchte die Konfrontation mit Berufslobbys. Das blieb nicht unbemerkt im Rest des Landes, und so avancierte der deklarierte Bruce-Springsteen-Fan zum gesuchten Gastredner und Liebling der Republikaner. Er brüstet sich, 125 Konzerte des Rockstars aus New Jersey besucht zu haben. Zuweilen stimmt er auch Songs vom „Boss“ an. Allein, die Springsteen-Hymne „Born to Run“ wollte er in Kalifornien nicht intonieren.

Wie einen Polit-Messias hatte ihn in Simi Valley eine Frau angefleht: „Wir brauchen Sie, das Land braucht Sie.“ Gebetsmühlenartig betonte er ein ums andere Mal, er sei weder vom Kopf noch vom Herzen her bereit für das Präsidentenamt. „Was soll ich noch tun, damit ihr mir glaubt – außer mich umzubringen?“

Gunst der Stunde

Seit Monaten beknien ihn das Establishment der Grand Old Party (GOP), konservative Meinungsmacher im „Wall Street Journal“ oder Bill Kristol im Wochenblatt „Weekly Standard“ und nicht zuletzt Milliardäre wie Rupert Murdoch und David Koch, seine Meinung zu revidieren und seine Präsidentschaftskandidatur zu erklären. Sie drängen ihn dazu, die Gunst der Stunde zu nutzen. Er werde es womöglich noch bitter bereuen, die Gelegenheit verstreichen zu lassen – wie Hillary Clinton 2004. 2016 werden bereits neue, frischere Gesichter ins Rampenlicht rücken: republikanische Nachwuchshoffnungen wie der Finanzsprecher Paul Ryan, der Senator Marco Rubio, der Gouverneur Bobby Jindal – oder George W. Bushs Bruder, Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush.

Mit zunehmender Panik suchen republikanische Zirkel eine Alternative zu Mitt Romney, der nach dem anfänglichen Höhenflug des texanischen Gouverneurs Rick Perry und dessen jähem Absturz bei der letzten TV-Debatte, wieder die Führungsposition im Kandidatenfeld übernommen hat. Satiresendungen wie „Saturday Night Live“ oder Jon Stewarts „Daily Show“ haben den schneidigen Perry zur Lachnummer degradiert.

Konfusion an der Basis

Romney-Konkurrenten wie Michele Bachmann oder Jon Huntsman verglühten wie Sternschnuppen, Newt Gingrich oder der libertäre Ron Paul haben lediglich Außenseiterstatus. Sarah Palins Stern ist rapide gesunken, obwohl sie pro forma noch mit einer Kandidatur kokettiert. So groß ist die Konfusion, dass die republikanische Basis bei einer Probewahl in Florida den schwarzen Selfmade-Unternehmer Herman Cain, einen humorigen Populisten, zum Sieger kürte. Chris Christie gilt jetzt als letzte Hoffnung. Sein Bruder Todd wäre freilich höchst überrascht, würde er sich breitschlagen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2011)

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