Asarow: "Auch Österreich ermittelt gegen Ex-Politiker"

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Asarow: "Auch Österreich ermittelt gegen Ex-Politiker"(c) REUTERS (Ho)
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Der ukrainische Premier Mykola Asarow erklärt, warum die europäische Kritik am Timoschenko-Prozess die EU-Integration seines Landes nicht gefährdet und wie die Ukraine den Erdgastransport für Europa sichern will.

Die Presse: Herr Asarow, sind Sie enttäuscht vom Warschauer EU-Gipfel?

Mykola Asarow: Im Gegenteil. Meiner Meinung nach sind die Resultate sehr positiv. Wieso sollte ich enttäuscht sein?

Es wurde kein fixer Termin für das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU festgelegt.

Der Verhandlungsprozess bewegt sich nicht so schnell wie ein Kurierzug. Es hängt davon ab, wann wir die Vorschläge der EU akzeptieren, und wann die EU unsere Vorschläge akzeptiert.

In Warschau wurde der Ukraine klargemacht, dass der Timoschenko-Prozess das Assoziierungsabkommen gefährdet. Der Prozess wird immer mehr zum Stolperstein für die Ukraine.

Das glaube ich nicht. Der Abschluss des Abkommens ist so wichtig, dass er nicht mit einem einzelnen Prozess in Verbindung gebracht werden können.

Die EU sieht das offenbar anders.

Jede Äußerung zum Prozess stellt eine Beeinflussung des Gerichts dar. Ich bin sicher, dass das im österreichischen Recht auch so ist.

Von Seiten der EU hofft man etwa, dass es doch zu einer „gütlichen Einigung" kommen könnte - etwa eine Verurteilung von Frau Timoschenko mit frühzeitiger Freilassung.

An wen ist dieser Vorschlag adressiert-- an den Richter? Wie stellt man sich das vor?

Der Prozess gilt als „selektiv", die Ukraine hat ein Problem mit der Unabhängigkeit der Justiz.

Das ist die übliche Phrase, die die Medien verwenden. Sie ist überhaupt nicht bewiesen. Auch in Österreich gibt es Ermittlungen gegen frühere Politiker. Aber mir fällt es nicht ein zu behaupten, dass da jemand selektiv verfolgt würde. Diesen Grundsatz sollten wir auch im Verhältnis zur Ukraine einhalten.

Sie halten die europäischen Appelle also für eine arrogante Haltung.

Nein. Wir sind der Meinung, dass die Besorgnis der europäischen Politiker um das Schicksal einer ukrainischen Politikerin berechtigt ist. Wir hören uns diese Meinungen aufmerksam an. Ich wiederhole noch einmal: Es gibt ein Gericht und einen Prozess, mit dem die Regierung absolut nichts zu tun hat.

Sollte es überraschend zu keiner Verurteilung kommen, was müsste man sich dann denken?

Wenn das Gericht seine Entscheidung gefällt hat, werden wir es kommentieren. Aber keine Minute früher.

Wird das Assoziierungsabkommen noch bis Jahresende abgeschlossen?

Die Chancen sind hoch. Die Ukraine hat für sich den Kurs der Europäischen Integration gewählt. Das Abkommen über die Assoziation ist die erste Phase der Integration.

Ihr Ziel bleibt also der EU-Beitritt?

Ja. Nach einem bestimmten Zeitraum wird sich die Frage stellen, wie es weitergehen soll. Der Verhandlungsprozess kann lange dauern, und niemand kann prognostizieren, wann er abgeschlossen sein wird. Aber wenn es keine europäische Perspektive für die Ukraine geben sollte, stellt sich die Frage, wozu schließt man überhaupt dieses Abkommen über die politische Assoziation ab.

Dennoch scheint die ukrainische Führung vor allem an wirtschaftlicher Integration mit Europa interessiert.

Die ökonomische Integration ist für uns ein untrennbarer Bestandteil der politischen Integration. Es ist nur natürlich, in der ersten Phase vor allem über die wirtschaftliche Integration zu sprechen.

Je näher die Ukraine an Europa rückt, desto mehr übt Russland auf Sie aus. Was können Sie dem entgegensetzen?

Das stimmt nicht. Die russische Führung hat ihren Standpunkt, diese Meinung hören wir auch. Russland ist nicht nur ein Nachbar, sondern auch unser größter Handelspartner. Wir geben uns Mühe, die Interessen Russlands zu berücksichtigen. Und wir überzeugen die russische Führung davon, dass unser Verhältnis zur EU keineswegs dem Verhältnis zu Russland im Wege steht.

Die lässt sich aber nicht so leicht überzeugen, was man etwa beim Streit über den Gaspreis sieht. Russland hat für die von ihnen gewünschte Senkung des Preises Bedingungen genannt: Engere Bindung in der Zollunion oder eine gemeinsame Firma für das ukrainische Gasnetz. Ist für sie eine dieser beiden Varianten denkbar?

Wir haben eigene Vorstellungen davon, wie unsere Beziehungen aussehen sollen. Es laufen sehr komplizierte Verhandlungen. Für einen Kompromiss sind immer Zugeständnisse von beiden Seiten nötig.

Die Ukraine zapft zusehends eigene Gasquellen an, man hat Förderverträge mit US-Firmen abgeschlossen. Ist das ein Ausweg aus dem Dilemma?

Wir wollen die eigene Förderung von Gas und Erdöl steigern. Man darf aber nicht vergessen, dass das Zeit braucht. Optimistische Schätzungen gehen von fünf bis zehn Jahren aus, um ein großes Volumen zu fördern. Wir sagen unseren russischen Partnern: Was ist euch wichtiger - heute teures Gas an die Ukraine zu verkaufen, oder der Verzicht der Ukraine russisches Gas in der Zukunft? Ein vernünftiger Verkäufer sollte seine Kunden nicht verschrecken.

Dennoch sieht man sich aktiv nach anderen Lieferquellen um. Ihr Präsident war vor Kurzem in Turkmenistan. Was hat er dort erreicht?

Turkmenistan ist interessiert, eigenes Gas zu liefern, aber dazu braucht man eine Pipeline. Und die Kosten sind hoch.

Die North Stream-Pipeline geht Ende Oktober ans Netz, auch das Projekt South Stream wird immer konkreter. Die Ukraine wird Einnahmen aus dem Gastransit verlieren. Was tut man dagegen?

Die frühere Regierung der Ukraine, die eine antirussische Politik betrieb, hat Russland provoziert diese beiden Gasleitungen zu bauen. Russland begann mit dem North Stream-Bau, bevor wir an die Macht kamen. Der Bau von South Stream fordert hingegen unwahrscheinliche Kosten. Wir schlagen den Russen die Modernisierung unseres Pipelinesystems vor. Wir garantieren, dass es für Europa zu keinen Problemen bei den Gaslieferungen kommen wird.

Wie betrachten Sie die Jobrochade im Kreml?

Für uns kam sie nicht überraschend. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Herrn Putin zusammen, wir kennen ihn gut und blicken mit Optimismus in die Zukunft.

Für Sie ändert sich nichts?

Wie gesagt, wir blicken mit Optimismus in die Zukunft.

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