Griechenland bringt immer neue Regierungschefs auf die Bühne

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Sozialisten und Konservative rangen um einen neuen Premier. Genannt wurden Parlamentspräsident Petsalnikos, davor EuGH-Präsident Skouris, davor EZB-Vize Papademos.

Athen. Die Zitterpartie schien kein Ende zu nehmen. Am Mittwochnachmittag verhandelten Griechenlands bisher regierende Sozialisten mit der konservativen Opposition wieder stundenlang über die Bildung einer Übergangsregierung. Es war ein bizarrer politischer Kampf am Rande der Krise.

Als aussichtsreicher Kandidat wurde zuletzt Filippos Petsalnikos, der bisherige Parlamentspräsident, gehandelt. Petsalnikos ist kein Experte, wie er eigentlich für die Abwicklung des von EU und IWF verordneten Spar- und Reformprogramms gesucht wurde. Er ist Gründungsmitglied der sozialistischen Pasok und damit in der Parteienlandschaft fest verankert.

Zuvor hatte es am Mittwoch bereits geheißen, die beiden Parteien hätten sich auf Vassilios Skouris, den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), als neuen Regierungschef geeinigt. Der bisherige Premier Georgios Papandreou reichte jedenfalls am Nachmittag bei Staatsoberhaupt Karolos Papoulias sein Rücktrittsgesuch ein. Nachfolger nannte er keinen.

Die politische Hängepartie dauerte bis dahin bereits drei Tage. Dass der Name Petsalnikos in letzter Minute aus dem Hut gezogen wurde, war auch die Folge eines geradezu „byzantinischen“ Bruderkriegs innerhalb der Pasok und anhaltender Differenzen mit dem bisherigen Oppositionschef, Antonios Samaras. Seit Beginn der Woche war in Athen und Brüssel Lukas Papademos, der parteilose ehemalige Vizechef der Europäischen Zentralbank, als aussichtsreichster Kandidat gehandelt worden. Man wollte ihn als hoch angesehenen Finanzexperten und verlässlichen Verhandlungspartner mit den europäischen Kollegen gewinnen. Aber Papademos wollte sich nicht einfach als Marionette der Pasok und der oppositionellen konservativen Nea Dimokratia (ND) verheizen lassen.

Die Einigung über eine neue Regierung ist die Voraussetzung für die Auszahlung der seit Anfang September verzögerten nächsten Tranche an Hilfskrediten von EU und IWF. Fließen die acht Milliarden nicht, werden griechische Beamte ihr Dezember-Gehalt nicht erhalten. Die Übergangsregierung muss auch die neuen Kreditverträge ratifizieren, die Griechenland ein neues Paket von 130 Milliarden Euro und einen Schuldenschnitt von 50 Prozent gewähren.

Rehn fordert Zugeständnisse

Dazu ist die ND unter Antonis Samaras inzwischen bereit. Unter Druck der übrigen Europäer will Samaras nun auch die Sparmaßnahmen mittragen, mit denen die Zielvorgaben des Vertrages erreicht werden sollen. In den dramatischen Verhandlungen der vergangenen Tage versuchte er aber, so wenig Verantwortung wie möglich mit der neuen Regierung zu übernehmen und bestand auf raschen Neuwahlen. Papademos soll genau diese Verantwortung und mehr Zeit eingefordert haben. Und nicht nur er, aus Brüssel meldete sich EU-Währungskommissar Olli Rehn mit der Forderung zu Wort, er erwarte die Unterschrift von Papandreou und Samaras unter der Zusicherung, dass deren große Parteien unabhängig von Personalien die Sanierungspolitik bis 2015 mittragen. Sonst gebe es kein Geld. Samaras aber weigerte sich Dienstagabend offiziell und blockierte die weiteren Verhandlungen. Ansonsten tat er so, als ginge ihn die Regierungsbildung nichts an, überließ die Rangeleien um die Postenbesetzungen der Pasok.

Auch im sozialistischen Lager gerieten die Verhandlungen immer wieder ins Stocken. Papandreous Finanzminister, Evangelos Venizelos, so hieß es, habe Papademos verhindert – möglicherweise aus Angst davor, der Finanzexperte könnte mehr Einfluss bekommen als er selbst. Bis zuletzt soll Venizelos aber auch versucht haben, die neuen Kandidaten auszubooten.

Zur Person

Filippos Petsalnikos war am Mittwoch als Premier im Gespräch. Der Mitgründer der Pasok-Partei ist seit dem Jahr 2009 Präsident des griechischen Parlaments.
[The Canadian Press/Picturedesk.com]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2011)

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