Iran, die Bombe und der ratlose Westen

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Die IAEA lässt keinen Zweifel daran, dass Teheran an einer Atombombe baut. Der Westen fordert schärfere Sanktionen. Russland blockiert, der Iran leugnet. Was tun gegen die iranische Atomgefahr?

Es dauerte nur wenige Stunden: Bereits kurz nach der Veröffentlichung des jüngsten Iran-Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde wurde in der Nacht auf Mittwoch der Ruf nach schärferen Sanktionen gegen Teheran laut. Den Anfang machten die USA, wenig später forderte Frankreichs Außenminister Alain Juppé Sanktionen „in einem bisher nicht bekannten Ausmaß“, auch Deutschland und Großbritannien sind für eine Verschärfung.

In dem Bericht legt die IAEA zahlreiche Hinweise auf ein iranisches Atomwaffenprogramm vor. „Es kann nun kein Zweifel mehr bestehen, dass der Iran Atombomben bauen will“, sagte ein westlicher Diplomat zur „Presse“. Der Iran hingegen sprach von fabrizierten Vorwürfen.

Im UN-Sicherheitsrat kann Teheran vermutlich auf Russland und China zählen. Moskau hat neue UN-Sanktionen als inakzeptabel bezeichnet, da sie als Mittel für einen Regimewechsel interpretiert werden könnten.

1 Könnte ein Militärschlag Irans Atomprogramm stoppen?

Israel geht es mit seinen Drohungen fast mit Sicherheit nur darum, die Welt zu zwingen, sich des Problems anzunehmen. Die Atomanlagen des Iran, von denen 15 bekannt sind, sind über das Land verstreut und zum Teil unterirdisch. Zudem könnte die Urananreicherung selbst nach einer Zerstörung der Anlagen schon bald wieder aufgenommen werden. Uran gibt es im Iran in ausreichender Menge. Das war im Falle von Saddam Husseins Irak anders, dessen Atomprogramm durch Israels Angriff auf einen im Bau befindlichen Reaktor tatsächlich zurückgeworfen wurde. Nach einem Schlag würde der Iran sein Atomprogramm wahrscheinlich noch eifriger betreiben.

2 Wie würde der Iran auf einen Militärschlag reagieren?

Teheran würde wohl seine Drohung wahrmachen, Israel mit konventionellen Raketen zu beschießen. Dies würde weitere Schläge der israelischen Luftwaffe, eventuell auch der USA, nach sich ziehen. Militärisch wäre der Iran klar der Verlierer. Es wäre aber mit Terroranschlägen als Vergeltung zu rechnen. Als Handlanger stünden die libanesischen Hisbollah-Milizen und auch radikale palästinensische Gruppen bereit. Fatal wären die ökonomischen Auswirkungen, der Ölpreis stiege deutlich an.

3 Warum haben die Sanktionen den Iran bisher nicht beeindruckt?

Der eigentliche Hebel bei Sanktionen ist, dass ihre Auswirkungen für Unmut in der Bevölkerung sorgen, den das Regime irgendwann nicht mehr ignorieren kann. Allerdings können sie auch zur Solidarisierung mit dem Staat führen. Außerdem wurden die Iran-Sanktionen von Russland und China immer wieder verwässert. Langfristig könnten sie jedoch zu einem Niedergang des Regimes beitragen.

4 Warum kann der Iran immer wieder auf Russland und China zählen?

Beide Staaten verstehen sich als den USA gleichberechtigte Mächte, werden als solche aber nicht anerkannt. Daher haben sie kein Interesse, ein Problem der USA zu lösen. Zudem haben beide Mächte ökonomische Interessen im Iran. Doch die Solidarität mit Teheran hat bei beiden Mächten ihre Grenzen, sobald ihre eigenen Interessen berührt werden. Insbesondere wollen sie nicht, dass der Iran bis an die Schwelle eines Krieges geht. Das könnte ein Hintergrund der israelischen Drohgebärden sein.

5 Was haben Sabotageakte wie der Computerwurm Stuxnet bewirkt?

Die IAEA hat immer wieder erhebliche technische Probleme bei Irans Atomprogramm festgestellt. Zentrifugen mussten abgeschaltet werden, es gab Anlaufschwierigkeiten beim Atommeiler Bushehr. Ein Teil dieser Probleme war sicher die Folge verschiedener Sabotageakte, speziell von Stuxnet. Doch ebenso wie ein Militärschlag können Sabotageakte bestenfalls eine Verzögerung bedeuten.

6 Könnte ein Überspringen des Arabischen Frühlings die Lösung sein?

Eine breite Protestbewegung hat das Regime vor zwei Jahren erfolgreich unterdrückt. Zuletzt regte sich wenig Widerstand Das Regime könnte jedoch auch an seinen inneren Widersprüchen zerbrechen, etwa an dem Gegensatz zwischen dem religiösen Führer Ali Khamenei und Präsident Mahmoud Ahmadinejad.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2011)

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