Außenminister Spindelegger auf Risiko-Trip im Irak

Aussenminister Spindelegger am Weg in den Irak
Aussenminister Spindelegger am Weg in den Irak(c) APA/HBF/DRAGAN TATIC (HBF/DRAGAN TATIC)
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Österreichs Außenminister Michael Spindelegger soll in Bagdad und im kurdischen Erbil helfen, lukrative Geschäfte einzufädeln. Der Sicherheitsaufwand ist enorm. Die Angst vor einem Anschlag fährt ständig mit.

Die Angst vor einem Anschlag fuhr mit durch das nächtliche Bagdad. Ein Militärkonvoi mit gepanzerten Fahrzeugen lotste am Dienstag nach Sonnenuntergang den österreichischen Außenminister Michael Spindelegger in das Herz der schwülen irakischen Hauptstadt. Soldaten mit Splitterwesten waren auf weißen Pick-up-Trucks an der Spitze und am Ende der Kolonne postiert. Sie richteten ihre Maschinengewehre in die Dunkelheit. Die Straßen entlang Spindeleggers Route waren abgesperrt. Es ging mit Vollgas ins Stadtzentrum.

Der enorme Sicherheitsaufwand hat gute Gründe. Allein in Bagdad explodieren derzeit bis zu fünf Bomben pro Tag. Den ehemaligen Palast Saddam Husseins, in dem Michael Spindelegger untergebracht ist, schirmt eine Sondereinheit rund um die Uhr ab. Auch die deutsche Sondermaschine, mit der Spindelegger um 18.30 Uhr in Bagdad landete, sollte rund um die Uhr von Spezialkräften bewacht werden. Es war sogar daran gedacht, eine private Sicherheitsfirma für den Irak-Trip zu engagieren. Die Idee wurde wieder verworfen. Ganz wollte sich das Außenamt jedoch nicht auf die irakischen Sicherheitskräfte verlassen.

Acht Cobra-Beamte sind zum Schutz des Ministers abgestellt. In der vorletzten Woche schon hatte sich ein österreichisches Sonderteam aus Vertretern des Innen-, Verteidigungs- und Außenministeriums ein Bild von der Lage in Bagdad gemacht. Die mitreisenden Journalisten waren gebeten worden, nicht vorab zu berichten – aus Sicherheitsgründen, um Terroristen keine Anhaltspunkte zu geben.

Es ist eine historische Visite. Zum ersten Mal seit 21 Jahren, seit Kurt Waldheims legendärer Geiselbefreiungsaktion in Bagdad, besucht ein Spitzenrepräsentant der Republik Österreich den Irak. Dazwischen liegen Jahre der Diktatur, des Krieges und des Schreckens.

Noch heuer soll der letzte US-Soldat das Zwischenstromland verlassen. Doch was dann? Wer wird das Sicherheitsvakuum füllen? Die Furcht vor einer neuen Terrorwelle ist groß.

Warum Spindelegger trotzdem das Risiko auf sich nimmt? „Österreichische Unternehmen haben mich darum gebeten“, sagte er während des Fluges nach Bagdad. Die österreichische Wirtschaft wittert neue Chancen zwischen Euphrat und Tigris. Im ersten Halbjahr 2011 stiegen Österreichs Exporte in den Irak um mehr als 200 Prozent auf 107 Mio. Euro. Der Irak entwickelte sich zum drittwichtigsten Markt Österreichs im arabischen Raum – nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudiarabien. Seit Jahresbeginn wird der Außenminister bedrängt, den Türöffner im Irak zu geben.

Auch Christenverfolgung Thema

Im Schlepptau hat Spindelegger eine stattliche Delegation, die vom Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer, Richard Schenz, angeführt wird. „Wir müssen ein Signal setzen und im Irak Flagge zeigen. Es wird sich lohnen“, sagt er zur „Presse“. Österreich könne an eine lange Geschichte des bilateralen Handels anknüpfen. Ins Geschäft wollen vor allem Wasseraufbereitungsfirmen wie Ovivo oder Stromkonzerne wie die Wabag kommen. „Die Menschen im Irak wollen Verbesserungen ihrer Lebenssituation sehen“, erläutert Franz Schneemann von der Bank Austria, der das Land seit 1988 regelmäßig besucht. Fast alle Akkreditivgeschäfte laufen über ihn. Mehr als acht Jahre nach dem US-Einmarsch wird der Irak noch immer jeden Tag von stundenlangen Stromausfällen geplagt.

Fast 90 Prozent seiner Einnahmen bezieht der Irak aus dem Verkauf von Öl. Die OMV wird jedoch erst in Erbil, im Nordirak, zu Spindeleggers Gruppe stoßen. In Bagdad ist der Mineralölkonzern dem Vernehmen nach derzeit nicht so gern gesehen. Der Grund: Die OMV preschte mit Ölgeschäften im kurdischen Norden vor, ohne auf einen gesamtirakischen Schlüssel zur Ressourcenverteilung zu warten.

Spindelegger wird am Mittwoch Außenminister Hoshyar Zebari, Premier Nouri al-Maliki und Präsident Jalal Talabani treffen. Zebari wollte er zum Gegenbesuch nach Wien einladen, Talabani auf Ersuchen von Bundespräsident Fischer ebenso. Auf der Agenda stand auch das Thema Christenverfolgung: Ein Treffen mit dem chaldäisch-katholischen Kardinal Emmanuel III. Delly wurde jedoch kurzfristig abgesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2011)

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