Wettlauf um kurdisches Öl und Gas

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Außenminister Spindelegger setzt sich im boomenden Kurdistan für die "Nabucco"-Pipeline ein. Bagdad ist von kurdischen Alleingängen nicht begeistert.

Was für ein Unterschied zu Bagdad: 40 Flugminuten entfernt von der irakischen Metropole eröffnet sich im Norden des zerrissenen Staates eine andere Welt. Die Kurden haben den Turbo angeworfen. Erbil boomt. Kräne ragen in den Himmel, in der Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan werden smarte postmoderne Hotels und glitzernde Shoppingcenter hochgezogen, keine Sicherheitswälle aus Stahlbeton. Über die properen Hauptstraßen flitzen asiatische Mittelklasseautos und SUVs, keine gepanzerten Fahrzeuge. Checkpoints und Soldaten sind hier nicht zu sehen.

Kurdistan, das Vorzeigeland, das Gegenmodell zum chaotischen Bagdad. Nach diesem Takt schlägt auch der Premierminister der Region, Barham Salih, die Werbetrommel, und zwar ziemlich ungeniert: „Nützen Sie Kurdistan als Tor zum Irak, bauen Sie Ihre Geschäftsbasis bei uns auf - ohne Sicherheitsprobleme", empfahl der 51-Jährige seinen Gästen aus Österreich, Außenminister Michael Spindelegger und der Wirtschaftsdelegation in dessen Schlepptau. Zwölf Prozent Wachstum erwarte die Region 2012, sagte Salih. Die Auslandsinvestitionen hätten sich zuletzt auf 16 Mrd. Dollar summiert. Mit 5500 Dollar beziffern die Kurden ihr Pro-Kopf-Einkommen, im ganzen Irak sind es kaufkraftbereinigt lediglich 4000.

Nabucco könnte Kurden-Gas gut brauchen

Öl und Gas treiben den kurdischen Motor an. Die Regierung in Erbil schätzt die Ölreserven auf 45 Mrd. Barrel. Seit vier Jahren ist die OMV aktiv, exploriert fünf Felder im Nordirak, drei davon als Betriebsführer. Der Konzern ist deshalb Persona non grata in Bagdad. Denn die Zentralregierung setzt jede Firma, die in den Kurdengebieten Öl oder Gas fördert, auf die schwarze Liste. Sie betrachtet die dortigen Verträge als unrechtmäßig, weil es noch immer kein Gesetz über die Verteilung der Ressourcen gibt. Deshalb tummelten sich zuletzt eher kleinere Energieunternehmen auf dem kurdischen Markt.

Das änderte sich am 18. Oktober auf spektakuläre Weise: Der US-Gigant Exxon-Mobil schloss einen Deal in Erbil ab. Iraks Ölminister Hussain al-Sharistani, ein Schiit mit guten Kontakten zum Iran, ging deshalb die Wände hoch. Exxon müsse sich entscheiden, ob es illegalerweise in Kurdistan oder weiterhin im Süden tätig sein wolle.
Die OMV zieht es vor allem auch wegen des Pipeline-Projekts Nabucco in den Nordirak. Speisten die Kurden ihr Gas ein, wäre das Versorgungsproblem um einiges geringer. Noch immer ist ja nicht geklärt, woher das Gas kommen soll, das Nabucco nach Europa pumpen soll, um unabhängiger von Russland zu werden. Spindelegger brach darum im Irak eine Lanze für die Pipeline. Kurden-Premier Salih riet seinen Gästen, Nabucco mit den Kurden voranzutreiben und nicht auf die „Bagdader Bürokraten" zu warten. Sobald der Deal laufe, werde auch Bagdad aufspringen. Unerlässlich für den Erfolg sei jedenfalls der gute Wille der Türkei, des wichtigsten Transitlands für das Nabucco-Gas, das aus Zentralasien, Aserbaidschan, dem Iran oder eben Nordirak kommen könnte. „Sie haben Jahre in Bagdad verloren", sagte der Kurden-Premier.

Thema Unabhängigkeit auf Eis - vorerst

Den Kurden ist es gar nicht unrecht, dass die Regierung in Bagdad sich durch Streitereien zwischen Schiiten und Sunniten selbst lähmt. Ihre Vertreter scheinen die Blockade nach Kräften befördert zu haben, so konnte Kurdistan seinen Freiraum, den es teils schon unter dem Schutz der UN-Flugverbotszone seit den 1990er-Jahren hatte, besser nützen. Ihre Unabhängigkeitsbestrebungen haben die Kurden vorerst auf Eis gelegt. Nach dem Abzug der Amerikaner könnte sich die Gleichung ändern, wobei die Kurden betont gelassen bleiben: „Wir brauchten die US-Soldaten auch bisher nicht, um für Sicherheit zu sorgen, sagte der „Außenminister" Kurdistans, Mustafa Bakir Falah, bei einem Wirtschaftsforum, das Spindelegger in Erbil eröffnete. Wieder ein Argument für Geschäfte im boomenden Nordirak, den die AUA als erste Fluglinie mit Mitteleuropa verbunden hat.

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