Machtwechsel in Spanien: „Absolute“ für Konservative

Machtwechsel Spanien Erdrutschsieg fuer
Machtwechsel Spanien Erdrutschsieg fuer(c) REUTERS (ANDREA COMAS)
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Der Konservative Mariano Rajoy ist für die Wähler der passende Hoffnungsträger, um das Krisenkönigreich wieder auf Kurs zu bringen. Für die regierenden Sozialisten gab es eine Schlappe.

[Madrid] Aller guten Dinge sind drei. Diese alte Volksweisheit geht nun für Mariano Rajoy (56) in Erfüllung: 2004 und 2008 war er schon als konservativer Spitzenmann in den spanischen Parlamentswahlen angetreten, beide Male verlor er gegen den Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero (51). Nun, im dritten Anlauf, war ihm der Triumph sicher. In Spaniens Krisenwahl am Sonntag ging es nur noch darum, wie hoch Rajoy und seine konservative Volkspartei (Partido Popular – PP) siegen werden.

Es wurde ein Erdrutschsieg: Nach dem vorläufigen Endergebnis erreichte die Volkspartei 186 Mandate von insgesamt 350. Damit ist nicht nur eine absolute Mehrheit gesichert, es ist auch das beste Ergebnis in der Geschichte der Partei. Die Sozialisten (PSOE – Partido Socialista Obrero Español), die das Land mehr als sieben Jahre regiert hatten, kamen auf nur mehr 110 Sitze. Dies ist das schlechteste Ergebnis der PSOE seit der Wiedereinführung der Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur (1939-1975).

Starke Stimmengewinne erzielte die Vereinte Linke (IU), die elf Sitze erobern konnte, mehr als fünfmal so viele wie 2008. Gewinne gab es auch für die bürgerlich-nationalistische Katalanen-Partei Convergència i Unió (CiU), die 16 Abgeordnete stellen wird. Die liberale Union für Demokratie und Fortschritt (UPyD) kann mit fünf Mandaten rechnen.

Seit 30 Jahren in der Politik

„Ich übernehme diese Ehre mit Verantwortung“, sagte Rajoy. Angesichts der dramatischen Lage ist ein gewissenhafter Verwalter wie er vielleicht der passende Hoffnungsträger, um das schlingernde Königreich wieder auf Kurs zu bringen.

Der Konservative Rajoy ist eigentlich nicht übermäßig beliebt im Volk, bei dem er eher das Image eines grauen, langweiligen Beamten hat. Aber Zapateros Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), die in der Wahl mit dem früheren Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba als Spitzenmann antrat, hatte in der tiefen Wirtschaftskrise das Vertrauen der Wähler verloren.

Mangelnde Erfahrung kann man dem Konservativen Rajoy aber nicht vorwerfen. Er ist ein alter politischer Hase mit langer Regierungserfahrung, der vor 30 Jahren seine steile politische Laufbahn startete. Hinter seinem grauen Bart versteckt Rajoy einige Narben der Vergangenheit. Etwa jene Schnitte im Gesicht, die er mit 27 Jahren bei einem Autounfall erlitt. Und auch politische Schrammen, die er als rechte Hand Aznars seinerzeit hinnehmen musste. Zum Beispiel als er 2002 das Mega-Unglück des Tankers „Prestige“ kleinredete. Dass er den islamistischen Terroranschlag vom 11. März 2004 in Madrid mit 191 Toten zunächst der baskischen Terrorgruppe ETA in die Schuhe schob, möchte er am liebsten vergessen.

Zapatero fünftes EU-Krisenopfer

Mit dem erwarteten Machtwechsel in Spanien stürzt nach Griechenland, Irland, Portugal und Italien die fünfte Regierung über die Wirtschaftsturbulenzen und die Euro-Schuldenkrise. Angesichts der sich zuspitzenden Lage in Spanien soll die neue Regierung möglichst schnell vereidigt werden. Denn die Lage ist kritisch: Spanien hat eine Arbeitslosenquote von fast 23 Prozent, die Wirtschaft stagniert, die Haushaltsschulden bringen Staat, Regionen und Rathäuser in immer größere Not. Der Staat steht vor weiteren schmerzhaften Sparbeschlüssen, um das Haushaltsdefizit zu reduzieren. Spaniens scheidender Ministerpräsident Zapatero hatte sich dazu verpflichtet, die Neuschulden bis zum Jahr 2013 unter jene Drei-Prozent-Grenze zu drücken, die im Euro-Vertrag festgelegt ist. 2010 lag Spaniens Defizit noch bei 9,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Doch das zugesagte Defizitziel wird Spanien wohl bis 2013 nicht erreichen.

Wie will Rajoy nun Spaniens marode Finanzen sanieren und die Wirtschaft wieder in Schwung bringen? Er vertraut vor allem darauf, dass seine künftige Regierung dem schwer angeschlagenen Land wieder „Vertrauen und Glaubwürdigkeit“ einimpfen werde. Verspricht, „die öffentlichen Ausgaben zu kontrollieren“, weiter zu sparen, die mit der EU vereinbarten Defizitverpflichtungen zu erfüllen. Die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt will er liberalisieren. In der Gesellschaftspolitik könnte ein schärferer Wind wehen: Rajoy will die von Zapatero beschlossene Lockerung der Abtreibung und die Homo-Ehe überprüfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2011)

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