Viktor Orbán zieht Notenbankgesetz zurück

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Die internationale Kritik zeitigt Wirkung: Der ungarische Premier verzichtet auf Fusion von Notenbank und Finanzaufsicht und zeigt sich gegenüber Außenminister Spindelegger konziliant.

Budapest/Wien. Das Gespräch verlief dem Vernehmen nach zur beiderseitigen Zufriedenheit: Eine volle Stunde Zeit hat sich Premier Viktor Orbán am Freitag genommen, um mit Michael Spindelegger über bilaterale Friktionen und europäische Probleme zu sprechen. Zweck des Blitzbesuchs in Budapest war nicht, „Ungarn-Bashing“ zu betreiben, wie der österreichische Außenminister im Anschluss betonte. Man wolle nur darauf hinweisen, dass die Gesetzgebung der EU befolgt werden müsse – und zwar „was den Buchstaben und den Geist betrifft“.

Aus Budapest hieß es, dass die kurzfristig anberaumte Visite in Regierungskreisen mit Wohlwollen aufgenommen wurde. Nach Auskunft von Vince Szalay-Bobrovniczky, Ungarns Botschafter in Wien, soll sich Orbán vor allem darüber gefreut haben, „dass die Schiene zwischen der ÖVP und Ungarns Regierungspartei Fidesz gut funktioniert“. Überhaupt werde die Hilfe „gleichgesinnter politischer Kräfte“ auf EU-Ebene positiv bewertet. Vor wenigen Tagen hatte sich der polnische Regierungschef Donald Tusk, wie Orbán ein Mitglied der Europäischen Volkspartei EVP, hinter Ungarn gestellt und vor übertriebener Kritik gewarnt. Auch Spindeleggers Reise nach Budapest soll in enger Absprache mit der EVP-Spitze erfolgt sein.

Für das gute Gesprächsklima hat nicht zuletzt auch Orbáns Volte in Sachen Gesetzgebung gesorgt: Freitagmorgen kündigte der Premier an, das von der EU beanstandete Gesetz über die Zusammenlegung von Notenbank und Finanzaufsicht zurückzuziehen. „Die beiden Institutionen haben separat gearbeitet und werden das auch in Zukunft gut können“, erklärte Orbán in einem Radiointerview. In der Frage, ob der Notenbankpräsident einen Eid auf die ungarische Verfassung ablegen soll oder nicht, will Orbán allerdings nicht klein beigeben.

Das Notenbankgesetz war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen der ungarischen Regierung mit Internationalem Währungsfonds und EU über eine Kreditlinie nicht vom Fleck kamen – die internationale Sorge um die Unabhängigkeit der Zentralbank in Budapest kulminierte zuletzt in einem Vertragsverletzungsverfahren der EU –, auch die Reform der Justiz und des Datenschutzamts werden nun untersucht.

EU-Währungskommissar Olli Rehn wartet nach Auskunft seines Sprechers nun darauf, dass die Ankündigung „in Taten und Ergebnisse umgesetzt“ wird. Tamás Fellegi, der ungarische Kredit-Chefverhandler, habe Rehn bei seinem Besuch in Brüssel am Freitag zugesagt, die von der EU-Behörde beanstandeten Rechtsvorschriften würden rasch geändert.

Auch konkrete Problemfälle erörtert

Für die Österreicher relevant sind indes nicht nur die beanstandeten Verfassungsgesetze, sondern auch eine Vielzahl von Bestimmungen, die den Spielraum der österreichischen Firmen einschränken – die Sondersteuer für Banken ist da nur ein Beispiel von vielen.

Bei dem Treffen mit Orbán hat Spindelegger auch Einzelfälle angesprochen – etwa die Causa Saubermacher. Der steirische Abfallentsorger ist mit einem Gesetzesentwurf konfrontiert, demzufolge ab 2013 nur noch teilstaatliche Unternehmen in Ungarn Müll entsorgen dürfen – was nach Ansicht der Steirer ein klarer Verstoß gegen die EU-Grundregel der Dienstleistungsfreiheit ist.

Ob das Gesetz wie geplant im März beschlossen wird, ist nicht klar. Orbán kommandierte jedenfalls seinen Staatssekretär (und Fidesz-Vizechef) Mihály Varga dazu ab, sich prioritär um die Anliegen der österreichischen Unternehmen zu kümmern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2012)

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