Der Ton zwischen den Republikanern wird rauer: Gingrich wirft Romney vor, gezielt "Falschinformationen" zu verbreiten. Dieser geht in die Offensive und veröffentlicht seine Steuererklärung.
Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner wird der Ton immer rauer: Eine gute Woche vor der wichtigen Vorwahl in Florida lieferten sich die beiden Spitzenreiter Mitt Romney und Newt Gingrich bei einer Fernsehdebatte am Montagabend einen heftigen Schlagabtausch. Multimillionär Romney ging gegen den früheren Parlamentspräsidenten massiv in die Offensive und warf ihm vor, er habe sein Amt "in Schande" aufgeben müssen und jahrelang als Lobbyist in Washington die Fäden gezogen.
Gingrich hielt seinem Rivalen im Gegenzug vor, mit seinen Angriffen "die schlimmste Art von trivialer Politik" zu betreiben. "Ich werde den Abend nicht damit verbringen, hinter Romneys Falschinformationen herzurennen", sagte Gingrich bei der TV-Diskussion in Tampa.
1,6 Millionen Dollar für Beratungstätigkeit Romney legte nach und warf seinem schärfsten Konkurrenten vor, vom inzwischen verstaatlichten Hypothekenfinanzierer "Freddie Mac" als Lobbyist 1,6 Millionen Dollar an Honoraren eingestrichen zu haben. Während der Finanzkrise musste "Freddie Mac" schließlich von der Regierung gerettet werden. Gingrich wies den Vorwurf zurück und bestand darauf, er sei für Beratungstätigkeit als Historiker bezahlt worden. Um dies zu untermauern, legte er ebenfalls am Montag seinen Beratervertrag mit Freddie Mac vor.
Newt Gingrich gilt als Urgestein der US-Republikaner. Der 68-Jährige war schon einmal die große Hoffnung seiner Partei. Unter seiner Führung holten die Republikaner bei den Kongresswahlen 1994 einen Erdrutschsieg, Gingrich wurde der erste republikanische "Speaker" des Repräsentantenhauses seit vier Jahrzehnten ("Republican Revolution"). (c) AP (Matt Rourke) Auf diesen Erfolg kürte ihn das Nachrichtenmagazin "Time" sogar zum "Mann des Jahres 1995". Ein Titel, den er sich 2012 in Form des neuen Präsidenten der USA wohl gerne wieder beschafft hätte. Doch er lag im Vorwahl-Rennen praktisch chancenlos hinter Mitt Romney zurück, weshalb er am 1. Mai offiziell aus dem Rennen ausschied. (c) AP (Ken Ruinard) Zuvor hatte Leroy „Newt“ Gingrich bei seinem Wahlkampf auf klassisch konservative Inhalte gesetzt. Zu seinen wichtigsten Punkten gehörten massive Einsparungen in der Staatskasse, niedrige Steuern, ein ausgeglichenes Budget und weniger Einfluss der Regierung. (c) REUTERS (MARY ANN CHASTAIN) Schon früher hatte Gingrich auf das Thema Budget gesetzt: Mit dem damaligen Präsidenten Bill Clinton führte er erbitterte Budgetschlachten, die 1995 und 1996 zu einem mehrwöchigen finanziellen Stillstand der Regierung führten. Dabei war sein polarisierender Kurs in der Bevölkerung zunehmend auf Ablehnung gestoßen. (c) AP (ELISE AMENDOLA) Gingrichs Image litt auch unter einer Geldstrafe von 300.000 Dollar, die ihm der Kongress wegen eines Steuervergehens aufbrummte. Nach dem enttäuschenden Abschneiden der Republikaner bei den Kongresswahlen 1998 musste er sich unter dem Druck seiner Parteifreunde aus dem Repräsentantenhaus zurückziehen. (c) AP (Charlie Riedel) Dann machte Gingrich seine Kontakte in der Hauptstadt mit einer eigenen Beratungsfirma zu Geld. Unter anderem erhielt er bis zu 1,8 Millionen Dollar von dem halbstaatlichen Immobilienfinanzierer Freddie Mac, der während der Finanzkrise von der Regierung gerettet werden musste - ein "Sündenfall", der von seinen Konkurrenten jetzt ausgeschlachtet wird. (c) AP (Paul Sancya) Eine weitere Schwachstelle Gingrichs ist sein Privatleben: Er ist zum dritten Mal verheiratet und weicht damit deutlich von den Moralvorstellung der konservativen Wähler ab. Während er Clinton wegen Falschaussage im Sexskandal um die Praktikantin Monica Lewinsky aus dem Amt treiben wollte, hatte er selbst eine Affäre mit einer Mitarbeiterin - die er immerhin später heiratete. (c) REUTERS (ERIC THAYER) Zuletzt versetzten Gingrich seine beiden Ex-Frauen einen Schlag - mit pikanten Details über das Scheitern der Beziehung. Marianne Gingrich berichtete etwa, wie ihr damaliger Mann sie um eine "offene Ehe" gebeten habe, um seine Geliebte neben ihr behalten zu können. Gingrich wies die Vorwürfe zurück und wetterte gegen die "bösartige Natur" der Medien. (c) Reuters (HANDOUT) Auch seine Parteifreunde erinnern sich an seine Skrupellosigkeit. „Es ist wie bei Napoleon und seinen 100 Tagen“, meint Tom Cole. „Wir folgen ihm in die Schlacht – und hoffen, dass es nicht zum Waterloo wird.“ (c) AP (Charles Dharapak) Doch der Historiker und versierte Debattierer, der Präsident Obama nach dem Vorbild Abraham Lincolns in sieben je dreistündigen Fernsehdebatten herausfordern wollte - zeigte sich von den Sticheleien lange unbeeindruckt. So verglich er sich schon öfters mit Größen wie Churchill, de Gaulle und Reagan. Zuletzt musste er dann aber doch erkennen, dass er es vorerst nicht mit ihnen aufnehmen kann. (c) Reuters (BENJAMIN MYERS) Abseits des Wahlkampftrubels machte Gingrich, der am 17. Juni 1943 in Harrisburg, Pennsylvania, geboren wurde, bereits als Autor und Co-Autor auf sich aufmerksam. 23 Bücher gehen auf seine Kappe, von denen es 13 zeitweise in der Bestsellerliste der New York Times (NYT) schafften - eine Beschäftigung, für die er nach dem Wahlkampftrubel wieder mehr Zeit haben dürfte. (c) AP (Erik Kellar) In die Politik fand der Republikaner über Umwege. Nach seinem Studium lehrte er von 1970 bis 1978 Geschichte an der University of West Georgia. Parallel dazu kandidierte er 1974 und 1976 erfolglos um das Mandat im US-Repräsentantenhaus, erst 1978 war es ihm vergönnt - danach wurde er sechsmal wiedergewählt. 1995 übernahm er das Amt des Sprechers des Repräsentantenhauses und leitete damit die "Republican Revolution" ein. (c) REUTERS (ADAM HUNGER) Das Urgestein steigt aus dem Rennen aus 6,2 Millionen Dollar Steuern Auch Romney soll am Dienstag seine Steuererklärung veröffentlicht haben, berichtete "Spiegel Online ". Denn der Ex-Gouverneur von Massachusetts war unter Druck geraten, als bekannt wurde, dass er nur 15 Prozent Steuern bezahle - obwohl die Steuer auf Lohneinkommen in den USA bei 35 Prozent liegt.
Laut "Spiegel Online" sollen Romney und seine Frau Ann im Jahr 2010 insgesamt 21,7 Millionen Dollar (16,7 Mio. Euro) eingenommen haben - dafür bezahlten sie aber nur 13,9 Prozent Steuern. Im vergangenen Jahr betrug Romneys Einkommen 20,9 Millionen Dollar - bei erwarteten Steuerabgaben in Höhe von 15,4 Prozent. Das ergibt in Summe 6,2 Millionen Dollar Steuern. Weiters sollen sie rund sieben Millionen Dollar gespendet haben - wodurch das Einkommen gemindert und der Steuersatz entsprechend gesenkt wurde. Damit zahlt der 64-Jährige weit weniger Steuern als die meisten Normalverdiener in den USA.
Der Multimillionär, Familienmensch und Ex-Geschäftsmann Mitt Romney wäre als erster Mormone ins Weiße Haus eingezogen. Zumindest 2012 wird daraus aber nichts. Ein Porträt. (c) AP (Alan Diaz) Romney folgte bisher immer den Fußstapfen seines großen Vorbilds, Vaters George Romney - ob als Wirtschaftsmanager, Gouverneur oder Bewerber um das höchste Staatsamt. Bei letzterem Unterfangen ist Mitt aber schon jetzt mit der Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten erfolgreicher als sein Vater - George Romney hatte seine Bewerbung 1968 noch vor der ersten Vorwahl zurückgezogen. (c) REUTERS (BRIAN SNYDER) Aber der Reihe nach: Mitt Romney wird am 12. März 1947 in Detroit, Michigan, geboren, wo sein Vater später Gouverneur wird. (c) AP (Anonymous) An der elitären Cranbrook School lernt Romney seine spätere Frau Ann kennen. Doch danach zieht es ihn in die Ferne - zunächst an die Stanford-Universität an der Westküste. Gescheitelt und adrett in Anzug und Schlips zählt er hier zu einer Minderheit. In der Uni-Kontroverse um den Vientnam-Krieg hält Romney Solidaritätsaktionen mit den US-Truppen in Indochina ab – und interessiert sich ansonsten mehr für das Footballteam und seine Freundin Ann im fernen Michigan. (c) REUTERS (� Handout . / Reuters) 1968 zieht Mitt dann als Mormonen-Missionar durch Frankreich, während sein Vater seine Pro-Vietnamkrieg-Haltung revidiert und dafür in seiner eigenen Partei durch Sonne und Mond geschossen wird. Dabei war George Romney als Favorit gegen Richard Nixon in den republikanischen Präsidentschaftswahlkampf gestartet. Unter diesem Eindruck wandelt sich auch Mitt zum Kriegsgegner. Nach einem schweren Autounfall in Südfrankreich, wo ihn ein Arzt schon für tot erklärte, kehrt Mitt Romney verwandelt und ernster in die USA zurück. Er heiratet, macht an der Harvard-Universität einen Doppelabschluss in Jus und Wirtschaft und beginnt, Verantwortung zu übernehmen – in der Mormonen-Kirche als Bischof und in der Geschäftswelt. Als Finanzinvestor der Firma "Bain Capital" macht der Republikaner ein Vermögen in dreistelliger Millionenhöhe. Das riskante Jobangebot bei Bain Capital hatte er durch eine Rückzugsoption bei der Exfirma abgesichert. Mitt Romney - ein Zahlenmensch und Analytiker. (c) EPA (MICHAEL REYNOLDS) Politisch fasst Romney im Jahr 1994 Fuß, als er versucht, gegen Edward Kennedy in den US-Senat gewählt zu werden. Romney verliert, schafft aber immerhin mit 41 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis eines Republikaners gegen Kennedy. (c) AP (C.J. GUNTHER) Dem Harvard-Absolventen gelingt es dann, die skandalträchtigen Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City aus dem Korruptionssumpf zu einem profitablen Erfolg zu führen. (c) REUTERS (YIORGOS KARAHALIS) Im selben Jahr wird Romney zum 70. Gouverneur Massachusetts gewählt. Seine Wahl erregt Aufsehen, da der Staat als einer der liberalsten in den USA gilt und demokratische Kandidaten dort üblicherweise klare Vorsprünge vor ihren republikanischen Mitbewerbern erzielen. (c) AP (Charles Dharapak) Am 24. Dezember 2005 kündigt Romney an, sich nicht der Wiederwahl als Gouverneur zu stellen. Am 13. Februar 2007 erklärt er warum: Er lässt sich offiziell als Kandidat für das Präsidentenamt aufstellen und sammelt in der Folge rund 44 Millionen US-Dollar an Spendengeldern - deutlich mehr als seine Konkurrenten. Dennoch muss er McCain den Vortritt lassen. Vier Jahre später übersteht Romney die Vorwahlen. (c) AP (Jessica Reilly) Für und gegen Romney spricht seine Unternehmer-Vergangenheit. Die Amerikaner bescheinigen dem 65-Jährigen zwar deutlich mehr Wirtschaftskompetenz als dem Amtsinhaber. Aber seine Vergangenheit bei "Bain Capital" bietet auchAngriffsflächen: Die Demokraten werfen Romney vor, bei Firmenkäufen und -verkäufen zahlreiche Jobs vernichtet und Unternehmen in den Ruin getrieben zu haben, um selbst mithilfe "befreundeter" Investmentbanken und deren Bewertungen an der Börse Geld zu scheffeln. (c) AP (Charles Dharapak) Romney macht zudem sein Ruf als politischer Wendehals zu schaffen: Als Gouverneur von Massachusetts trat er etwa für das Recht auf Abtreibung ein, inzwischen verteufelt er sie. Vom Fürsprecher für die Rechte Homosexueller wandelt er sich zum scharfen Gegner der Homo-Ehe. Und obwohl er in Massachusetts selbst ein ähnliches Gesundheitssystem installiert hat, zieht er gegen Obamas Gesundheitsreform von Leder. Im US-Vorwahlkampf nannte ihn Konkurrent Newt Gingrich dann auch ein "politisches Chamäleon". (c) AP (Charles Dharapak) Ein Plus bringt Romney aber sein Privatleben: Er kann mit seiner Frau Ann, fünf erfolgreichen Söhnen und sechzehn Enkelkindern eine heile Welt präsentieren - für einen Konservativen in den USA ist das ein großer Vorteil. Trotzdem wurde der Familienmensch Romney nicht, wie erhofft, der 45. US-Präsident. (c) AP (Charles Dharapak) ''Polit-Chamäleon'' ist gescheitert Seit Gingrichs Überraschungssieg bei den Vorwahlen in South Carolina am Samstag ist wieder völlig offen, wer im November gegen Präsident Barack Obama antritt. Zuvor galt Romney als klarer Favorit. Ein von der Polit-Webseite "realclearpolitics.com" ermittelter Durchschnitt jüngster Umfragen sieht den Ex-Gouverneur von Massachusetts bei knapp 30 Prozent, Gingrich bei 23 Prozent. Bei der Wahl in Florida liegen beide praktisch gleichauf.
(Ag./Red.)
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