Ein Bankrott Ungarns? „Dieses Risiko besteht nicht“

(c) EPA (PATRICK SEEGER)
  • Drucken

Staatssekretär Kovács hofft auf IWF-Milliardenkredite Ende März. Schon Mitte Februar soll Parlament Gesetze ändern, die EU beanstandet hat.

Die Presse: Sie sind als Staatssekretär für Kommunikation zuständig. Fühlen Sie sich verantwortlich für das derzeit eher schlechte Image Ungarns?

Zoltán Kovács: (Lacht.) Das fragen mich Journalisten immer als Erstes. Die Frage ist nicht richtig gestellt. Es geht nicht um Verantwortung.

Überlegt Ihre Regierung denn nicht selbstkritisch, ob sie in den vergangenen Monaten nicht auch manche Fehler in der Kommunikation begangen hat?

Wir befinden uns in einem ständigen Stadium der Selbstkritik. Wir haben nie gesagt, dass alles perfekt ist, was wir tun. Ich habe auch noch nirgendwo auf der Welt eine Gesetzgebung gesehen, die perfekt wäre. Wir haben im Moment kein Problem mit der Kommunikation.

Premier Orbán hat unlängst gesagt, dass er sich im Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission eröffnete, der Macht beuge, aber nicht den Argumenten. Das klingt nicht nach Selbstkritik, sondern nach jemandem, der sich ungerecht behandelt fühlt.

Wir akzeptieren keine politischen oder ideologischen Meinungen, die uns attestieren, falsch zu liegen. Doch wenn sich in einem Rechtsstreit herausstellt, dass wir nicht richtig liegen, dann setzen wir uns gerne zusammen und lösen das Problem. Dafür gibt es einen Präzedenzfall, das Mediengesetz vor einem Jahr haben wir auch adaptiert. Vom ersten Amtstag dieser Regierung an kursierte die Meinung, dass wir undemokratisch seien und das Land in die falsche Richtung führten. Das ist immer der Fall bei konservativen Mitte-rechts-Regierungen in Ungarn. Orbán wurde schon in seiner ersten Amtszeit Duce und alles Mögliche genannt.

Es gibt viele andere Mitte-rechts-Regierungen in Europa, die nicht solche Probleme haben.

Wenn eine Kritik auf soliden Fakten basiert, dann nehmen wir die Argumente ernst. Wir haben eine große strukturelle Reform des Landes in allen Bereichen in Angriff genommen, angefangen von der Wirtschaft ...

Wirtschaftlich war Ihre Regierung bisher nicht wirklich erfolgreich.

In den vergangenen 20 Jahren musste keine Regierung auf diesem Level starten, mit diesen Schulden. Wir haben nie gesagt, dass wir mit der Reform fertig sind. Wir sind mitten in einer strukturellen Veränderung.

Im Moment besteht das Risiko, dass Ungarn in den Bankrott schlittert.

Nein, dieses Risiko besteht nicht. Die makroökonomische Basis Ungarns ist solide. Der Druck und die Unsicherheit kommen über die europäische und globale Wirtschaft in die Anleihenmärkte.

Ungarische Anleihen wurden zuletzt auf Ramschstatus zurückgestuft, die Zinsen liegen bei rund zehn Prozent.

In den vergangenen eineinhalb Monaten verliefen die Auktionen auf den Anleihenmärkten gut, die Zinsen gehen zurück.

Doch klar ist: Ungarn braucht die Hilfe und die Kredite des Internationalen Währungsfonds und der EU.

Wir brauchen die Kredite nicht, wir brauchen ein Sicherheitsnetz gegen die Volatilität der Finanzmärkte.

Der Chef der Erste Bank, Andreas Treichl, sagte, das Hauptproblem Ungarns bestehe darin, das Vertrauen der Investoren verloren zu haben.

Das Vertrauen wurde vielleicht etwas erschüttert, aber nicht verloren. Die Strukturreformen erforderten viele harte Entscheidungen für Bürger und Finanzinteressen. Wenn man sich in einer Konfliktzone bewegt, muss man sich den Konflikten stellen. Das ist in den vergangenen eineinhalb Jahren passiert. Jetzt, nach der neuen Verfassung, ist die Konsolidierungsphase wichtig.

Wenn Sie Regeln während des Spiels ändern und etwa den Wechselkurs für die Rückzahlung von Franken-Krediten willkürlich festlegen, schwächen Sie den Glauben in den Rechtsstaat.

Regeln bleiben nie unverändert, vor allem nicht, wenn sich das Umfeld so rasant ändert. Jeder spricht jetzt von unorthodoxen Maßnahmen, um die Finanzkrise zu bewältigen.

Premier Orbán hat versprochen, die in den drei EU-Vertragsverletzungsverfahren beanstandeten Gesetze betreffend die Unabhängigkeit der Zentralbank, der Justiz und des Datenschutzbeauftragten schnell zu modifizieren. Wann liegen die geänderten Gesetze schriftlich vor?

So bald wie möglich. In einer ersten Box sind die Themen, die man in wenigen Tagen lösen kann.

Welche Themen sind das?

Alle Streitpunkte, die die Zentralbank betreffen. Abgesehen vom Eid, den die Führung der Zentralbank auf die ungarische Verfassung leisten muss. Auch die Datenschutzfrage kann schnell geklärt werden. Bis nächste Woche ist der Austausch der juristischen Argumente möglich. Das Parlament tritt am 13. oder 14. Februar zusammen und kann die nötigen neuen Beschlüsse fassen.

Und die Senkung des Pensionsalters für Richter von 70 auf 62 Jahre?

Da wird es weitere Diskussionen geben. Wir sehen keine Diskriminierung darin, das Pensionsalter von Richtern auf 62 Jahre zu senken. Das ist eine allgemeine Regel. Die Vorgängerregierung hat zwar beschlossen, das Pensionsantrittsalter bis 2020 auf 65 Jahre anzuheben. Doch heute liegt es bei 62.

Sobald die Zentralbank-Frage geklärt ist, können die Kreditverhandlungen mit IWF und der EU anfangen, korrekt?

Die Kommission hat diese Bedingung nie in schriftlicher Form gestellt. Wir hoffen, die Verhandlungen beginnen so bald wie möglich, und sind zuversichtlich, dass sie bis Ende März abgeschlossen sind.

Wie viel Geld braucht Ungarn?

Schätzungen gehen von 16 bis 20 Milliarden Euro aus.

Wenn Ihre Regierung neu beginnen könnte, was würde sie anders machen?

Wir würden es nicht anders machen. Dieses Land hat keine Zeit zu verlieren. Aus dem Kommunismus zu kommen ist nicht einfach. Die Transformation ist nötig. Wir müssen die Übergangsperiode beenden und die Überbleibsel der alten Strukturen ändern.

Zur Person

Zoltán Kovács (geboren 1969 in Abaújszántó) ist ungarischer Staatssekretär für Regierungskommunikation. Der Historiker unterrichtet an der Miskolc-Universität und der Universität Debrecen. 2006 wurde er zum Abgeordneten des Fidész gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.