Syrien: Blutbad in Homs vor UNO-Sondersitzung

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Syrien Blutbad Homs UNOSondersitzungREUTERS/Ahmed Jadallah
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Mehr als 260 Menschen kamen laut Oppositionsangaben ums Leben. US-Präsident Obama spricht von "Todeskampagne" und fordert den Rücktritt Assads.

Bei neuen Protesten gegen die syrische Führung sind der syrischen Opposition zufolge mindestens 260 Menschen in der Oppositionshochburg Homs getötet worden, 1300 wurden verletzt. Die Gewalteskalation ereignete sich vor einer kurzfristig für Samstag angesetzten Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates zu Syrien. In einer Erklärung war von dem "erschreckendsten Massaker" seit Beginn der Proteste gegen Präsident Bashar al-Assad im März 2011 die Rede.

Das syrische Regime dementiert die Berichte. Es sei eine "Medienkampagne", die Lügenmärchen und Unwahrheiten benutze, um die Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates zu beeinflussen, hieß es im Staatsfernsehen. Außerdem sollten Angriffe von bewaffneten Terroristen so verschleiert werden, ließ das Assad-Regime ausrichten. Die Führung in Damaskus macht immer wieder "Terroristen" für die anhaltende Gewalt im Land verantwortlich.

Obama fordert erstmals Assads Rücktritt

Angesichts der Berichte über das Blutbad in Homs hat US-Präsident Barack Obama den sofortigen Rücktritt von Präsident Bashar al-Assad gefordert. "Assad hat kein Recht, Syrien zu führen", erklärte Obama am Samstag. "Er hat jede Legitimität in seinem Volk und in der internationalen Gemeinschaft verloren", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme weiter. Es war das erste Mal seit Ausbruch der Unruhen in Syrien, dass Obama persönlich und ausdrücklich den Rücktritt Assads forderte.

Der syrische Machthaber solle die "Todeskampagne" und die "Verbrechen an seinem eigenen Volk" stoppen, meinte Obama. Kurz vor erneuten Beratungen im UN-Sicherheitsrat setzte er sich außerdem für ein entschlossenes Handeln der internationalen Gemeinschaft ein.

Die in London ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte rief die Bevölkerung "in allen Regionen" auf, angesichts des "Massakers" in Homs auf die Straße zu gehen und sich gegen die Führung zu erheben. Den Angaben zufolge waren auch Frauen und Kinder unter den Opfern. Der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abderrahman, sagte, es habe ein "regelrechtes Massaker" stattgefunden. Er forderte eine "sofortige Intervention" der Arabischen Liga.

"Eine Tötungsmaschine"

Die arabischen Nachrichtensender Al Arabiya und Al Jazeera berichteten von "schweren Kämpfen" zwischen Soldaten der regulären Armee und Deserteuren. Sie zeigten Bilder von dutzenden Leichen am Boden. "Wir sehen uns einer Tötungsmaschine gegenüber, Menschen sterben", sagte ein Arzt dem Sender Al Jazeera. "Es sind so viele Menschen auf den Straßen, die verletzt sind und sie brauchen Hilfe, aber wir können sie nicht erreichen, um ihnen zu helfen", sagte der Stadtbewohner Abu Abdo Alhomsy dem US-Nachrichtensender CNN. Scharfschützen seien im Einsatz. "Sie sind bereit, uns alle zu töten. Sie haben kein Problem damit, es zu tun. Bitte, wir rufen die internationale Gemeinschaft zur Hilfe auf." Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder, berichtete CNN.
Nach Informationen einer Al-Jazeera-Korrespondentin im Libanon attackierten vor dem Gewaltexzess Mitglieder der aus Deserteuren bestehenden "Freien Syrischen Armee" Kontrollpunkte der regulären Truppen. Dabei seien etwa zehn Soldaten ums Leben gekommen. Danach sei offensichtlich ein Stadtteil von Homs ständig beschossen worden. Mehrere Häuser seien zerstört worden. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite für die Angaben aus Syrien gab es nicht.

Landesweit hatte es am Freitag Demonstrationen in Erinnerung an das Massaker von Hama im Jahr 1982 gegeben, als Hafez al-Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten Bashar al-Assad, einen Aufstand der islamistischen Muslimbrüder brutal niederschlagen ließ. Die Sicherheitskräfte schossen der Beobachtungsstelle zufolge auf zahlreiche Demonstrationszüge, etwa in der Hauptstadt Damaskus, wo tausende Menschen auf die Straße gegangen seien. Demnach nahmen zahlreiche Syrer an Protesten in den Provinzen Damaskus, Daraa und Dael im Süden, Idleb im Nordwesten, Lattakia im Westen und Hama selbst teil. Die Unruhen hatten sich in der Nacht auf Freitag auch auf die zweitgrößte syrische Stadt Aleppo ausgeweitet, die als Wirtschaftsmetropole des Landes gilt.

Abstimmung über neuen Resolutionsentwurf

Derweil kündigte ein Diplomat in New York an, dass der UNO-Sicherheitsrat am Samstag in der Früh (09.00 Uhr Ortszeit, 15.00 Uhr MEZ) zusammenkommen werde, um über den jüngsten Resolutionsentwurf zur Syrien-Krise abzustimmen. Den 15 Mitgliedern des Gremiums werde der am Donnerstag überarbeitete Text vorliegen, der Bedenken Russlands Rechnung trägt, sagte der Diplomat am Freitag in New York. Noch vor der Abstimmung in New York wollte US-Außenministerin Hillary Clinton mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow zu einem Gespräch am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz zusammenkommen, sagte ein ranghoher Vertreter des US-Außenamtes auf dem Flug Clintons nach München in der Nacht auf Samstag.

Zuvor hatte der russische Vize-Außenminister Gennadi Gatilow laut der Nachrichtenagentur Interfax den Resolutionsentwurf "in seiner jetzigen Form" abgelehnt. Die Zugeständnisse reichten nicht aus, damit Moskau die Resolution mittragen könne. Gatilow kündigte aber nicht explizit ein Veto gegen die Entschließung an. Im neuen Resolutionstext wurde jeder Hinweis auf Sanktionen oder ein Waffenembargo als Zugeständnis an Moskau gestrichen. Auch die Forderung nach einem Rücktritt Assads wurde fallengelassen. Im Entwurf steht aber, der Sicherheitsrat unterstütze die "Entscheidung der Arabischen Liga vom 22. Jänner", mit der ein "von den Syrern selbst gestalteter politischer Übergang" angestrebt wird.

Die Arabische Liga hatte am Dienstag einen Hilferuf an den UNO-Sicherheitsrat gerichtet, die Gewalt in Syrien zu stoppen. Marokko legte daraufhin mit Unterstützung der arabischen und europäischen Staaten einen Resolutionsentwurf vor. Die Vetomächte Russland und China hatten vor vier Monaten schon eine Resolution zu Syrien scheitern lassen. Ein anderer Resolutionsentwurf kam im Sommer wegen des zu erwartenden Widerstandes gar nicht erst zur Abstimmung. Konkrete Sanktionen enthielt keiner der mittlerweile drei Entwürfe.

(APA)

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