UN-Resolution: Russland macht Syrien die Mauer

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Der Westen scheiterte auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem Versuch, Moskau doch noch zur Annahme der UN-Syrien-Resolution zu bringen. Russland und China legten im Sicherheitsrat in New York ein Veto ein.

Die Drohung und ihre Verwirklichung lagen nur Stunden auseinander: Samstagvormittag kündigte Russlands für markige Worte bekannter Außenminister Sergej Lawrow einen „Skandal“ an, sollte der Westen die von Marokko eingebrachte Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat zur Abstimmung stellen. Wenige Stunden später geschah genau das – und Russland und Peking legten tatsächlich ihr Veto ein.

Die Bemühungen des Westens und der Arabischen Liga, eine starke Botschaft der Staatengemeinschaft an Syrien zu senden, die Massaker an Regimegegnern endlich zu beenden, haben damit einen schweren Rückschlag erlitten. Das Votum in New York sei „sehr bedauerlich“, sagte Schwedens Außenminister Carl Bildt am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz in einer ersten Reaktion gegenüber der „Presse am Sonntag“: „Wichtig ist nun zunächst, was die Arabische Liga tun wird. Und wir im Westen müssen die Liga weiter unterstützen.“

Wolfgang Ischinger, Leiter der Sicherheitskonferenz und ehemaliger Staatssekretär im deutschen Außenamt, bemühte sich zwar um ein wenig Optimismus: „Wir haben heute noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.“ Er sieht noch immer eine Chance für ein gemeinsames Vorgehen der Staatengemeinschaft. Die Enttäuschung war ihm aber ins Gesicht geschrieben: „Ich bin unglücklich, dass die Sicherheitskonferenz diesmal nicht als Katalysator dienen konnte.“

Das entscheidende „Nein“ fiel zwar im New Yorker UN-Glaspalast, doch der war im diplomatischen Ringen trotzdem nur Nebenschauplatz. Der Showdown fand zuvor in München statt: Die Rednerliste der Sicherheitskonferenz war dramaturgisch klug so konzipiert, dass kurz nach US-Außenministerin Hillary Clinton ihr Moskauer Counterpart Lawrow sprach.

--> Die Reaktionen im Überblick

Duell zwischen USA und Russland vermeiden

Der Schlagabtausch wäre dennoch um ein Haar ausgefallen: Clinton äußerte sich irritierend knapp zu Syrien: „In Damaskus tyrannisiert ein Diktator sein Volk. Wir arbeiten gemeinsam mit der Arabischen Liga, wir fordern, dass das Blutvergießen endet, und hoffen, dass der Sicherheitsrat den Willen der Staatengemeinschaft zum Ausdruck bringen wird.“

Das war es dann auch schon. Lawrow nahm das Wort Syrien gleich gar nicht in den Mund. Offenbar hatte man sich darauf verständigt, die im Hintergrund mit höchster Intensität laufenden Verhandlungen nicht durch ein Duell auf offener Bühne zu belasten. Doch alle Versuche von Clinton und anderen westlichen Politikern, Lawrow ins Gewissen zu reden, sollten sich als fruchtlos erweisen: „Es war leider nicht möglich, mit Russland konstruktiv zusammenzuarbeiten“, resümierte eine enttäuschte Clinton am Abend. Lawrow indes will nun selbst nach Syrien reisen und Assad treffen.

Ein Schwall an Fragen aus dem Publikum hatte ihn am Vormittag dann übrigens doch noch gezwungen, sich zur Causa Prima zu äußern. Seine Ausführungen gerieten zur Lektion in angewandtem Zynismus: „Wir unterstützten ja die syrische Bevölkerung, das machen wir seit Beginn der Proteste“, sagte Lawrow, der partout keinen Widerspruch dazu in der Tatsache sah, dass Russland an Syrien weiterhin Waffen liefere. Im Übrigen habe Moskau ja bereits eine Syrien-Resolution vorgelegt, die allerdings vom Westen abgelehnt worden sei. Während Lawrow über die Gewalt des Regimes schwieg, geißelte er die bewaffneten Regimegegner, die nicht mehr nur nur militärische, sondern auch staatliche Einrichtungen ins Visier nähmen: „Damit wird eine humanitäre Krise geschaffen.“

Keine "Hintertür für eine Intervention"

Mit seiner Blockadehaltung hat Russland die Resolution bereits deutlich verwässert: Es hat einen Passus, der anhaltende Waffenlieferungen an Damaskus angeprangert hatte, ebenso aus dem Text reklamiert wie eine explizite Aufforderung an Diktator Bashar al-Assad, die Macht abzugeben. Dieser Punkt findet sich gleichwohl in dem Forderungskatalog der Arabischen Liga, den der Resolutionstext nach wie vor unterstützte.

Obwohl sich Beobachter einig waren, dass man schon aus dem Entwurf Marokkos keine militärische Intervention ableiten hätte können, hatte Russland lange Bedenken. Auch hier hat es sich offenbar durchgesetzt: „Jetzt gibt es nicht einmal mehr eine Hintertür für eine Intervention“, triumphierte Lawrow. Doch Moskau wollte noch mehr, nämlich de facto eine Gleichbehandlung des Regimes und der Aufständischen im Resolutionstext: Der UN-Sicherheitsrat dürfe unter keinen Umständen Partei ergreifen.

Moskau hat ganz offensichtlich Angst vor einer sich entwickelnden Dynamik, wenn Assad der Rücktrittsforderung der Arabischen Liga nicht nachkommt. Ein libysches Szenario mit einer Militärintervention will Moskau um jeden Preis vermeiden. Ein solches Szenario ist indes ohnehin wenig realistisch: „Ich sehe das im Falle Syriens nicht“, sagte John Kerry, Ex-Präsidentschaftskandidat der Demokraten gegen George W. Bush und Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Senat am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zur „Presse am Sonntag“.

Deutlicher wurde Deutschlands Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier, derzeit Fraktionschef der SPD im Bundestag. „Ich sehe nicht, dass in der Arabischen Liga, im UN-Sicherheitsrat oder in der Nato eine militärische Intervention vorbereitet wird oder geplant ist. Wir müssen jetzt die Möglichkeiten erhöhten politischen Drucks nutzen“, sagte Steinmeier im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Berlins ehemaliger Diplomatiechef wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass man Moskau noch ins Boot holen könnte: „Die Haltung der Arabischen Liga ist eindeutig. Die Welt sollte diese Haltung unterstützen.“

US-Hilfe für Aufständische?

Parallel zu den Bemühungen in München und New York zeichnete sich in der arabischen Welt eine weitere Verschärfung der Gangart an: Tunesien leitete Schritte ein, dem Assad-Regime die diplomatische Anerkennung zu entziehen. Dies teilte Tunesiens neuer postrevolutionärer Staatschef Marzouki zeitgemäß via Facebook mit. Es ist, um im Jargon der sozialen Medien zu bleiben, das nächste Stadium der „Entfreundung“, die seit Monaten im Gange ist: Angeführt von den Golfstaaten haben viele arabische Länder ihre Botschafter abgezogen.

Wie es weitergehen könnte, deutete in München am Abend US-Senator Joseph Lieberman vor Journalisten an: Eine Möglichkeit wäre es, der sogenannten „Freien Syrischen Armee“ Hilfe zukommen lassen. Eine weitere Option sei die Einrichtung von Schutzzonen. Für die zwei Neinsager hatte er nur Verachtung übrig: „China und Russland haben sich auf die falsche Seite der Geschichte gestellt.“ Sein demokratischer Kollege Kerry ergänzte: „Syrien ist zwar nicht Libyen. Aber das bedeutet nicht, dass die syrische Führung straflos davonkommen wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2012)

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