Serbien schlingert ins EU-Abseits

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99,74 Prozent der Serben im Norden des Kosovo stimmen gegen die Anerkennung von Prishtina. Die Regierung in Belgrad ist alles andere als zufrieden. Das Referendum habe den serbischen Interessen geschadet.

Belgrad. 69 Störenfriede vermasselten mit ihrer Ja-Stimme das perfekte Resultat. Doch immerhin 99,74 Prozent der Wähler in vier überwiegend serbisch besiedelten Gemeinden des Nordkosovo sprachen sich bei dem in Eigenregie organisierten Referendum gegen die Anerkennung der Institutionen der „sogenannten Republik Kosovo“ aus.

Nicht nur in Prishtina und Brüssel stieß der Urnengang auf Ablehnung – auch der Regierung in Belgrad liegt der eigenmächtige Volksentscheid wie ein Stein im Magen. Das Referendum habe den serbischen Interessen geschadet, erklärte Staatschef Boris Tadić. Als „illegal und verfassungswidrig“ geißelte Chef-Unterhändler Borislav Stefanović gar den Volksentscheid. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte bei einer Pressekonferenz in Wien auf Nachfrage eines russischen Journalisten hingegen, Belgrad müsse das Ergebnis ernst nehmen.

„Am Nasenring vorgeführt“

Tatsächlich wird das Votum mit Sicht auf Belgrads Streben nach Erlangung des EU-Kandidaten-Status als kontraproduktiv erfahren. „Maximal 20.000 Leute führen uns am Nasenring vor“, empörte sich am Donnerstag ein Poster auf der Website des serbischen TV-Senders B92 – und erhielt fast 4000 positive Zustimmungen.

Für viele Serben ist die Loslösung der Exprovinz längst Realität, nicht alle sind bereit, wegen Kosovo die Chancen auf einen EU-Beitritt zu opfern. Schon nach dem Krieg 1999 hatte Serbien die Kontrolle über die Exprovinz faktisch verloren. Nach Jahren eines fruchtlosen Marathons erklärte der sich zu über 95Prozent von Albanern bewohnte Kosovo gegen den Willen des einstigen Mutterlandes schließlich für unabhängig.

Nur bei gutnachbarschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten der Region sei mit der Zuteilung des EU-Kandidatenstatus zu rechnen, hatten die EU-Partner im Dezember Serbien ins Stammbuch geschrieben. Vor allem aus wahltaktischen Gründen hat die Regierung in Belgrad seitdem die Zeit mit Lippenbekenntnissen verstreichen lassen. Innenminister Ivica Dačić droht derweil mit Moskau, falls man beim EU-Gipfel im März den Kandidatenstatus nicht erhalte: „Damit niemandem einfällt, den Russen den Bau von Militärbasen in Serbien anzubieten, muss die EU gegenüber uns eine unbefangene Politik vertreten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2012)

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