Frankreich: Die Melkkühe des François Hollande

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Millionäre sollen 75 Prozent abliefern, meinen die Sozialisten. Im egalitären Frankreich kommt der Vorschlag, die Reichen sollen zahlen, stets gut an. In Frankreich soll es etwa 15.000 Superverdiener geben.

Paris. Bei seinem mehrstündigen Besuch auf der Pariser Landwirtschaftsmesse konnte der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande gestern, Dienstag, zeigen, dass er sich in Sachen Milchkühe auskennt. Falls er im Mai zum nächsten Staatspräsidenten gewählt wird, möchte er zum Wohl der Republik auch andere „große Tiere“ melken. Ganz überraschend hat er eine radikal klingende Steuerreform angekündigt: Wer pro Jahr mehr als eine Million Euro verdient, soll laut Hollande künftig nach einer Einführung einer zusätzlichen Einkommensteuerklasse 75 Prozent des deklarierten Einkommens dem Fiskus abliefern.

15.000 Superverdiener betroffen

Dieser Vorschlag figurierte bisher nicht im Wahlprogramm des linken Kandidaten, und anscheinend waren sogar seine Berater in Sachen Steuerpolitik völlig überrumpelt von dieser Ankündigung live am Fernsehen. Fast hatte man den Eindruck, dass Hollande selbst über seine Kühnheit staunte, denn zuerst sprach von einer Einkommensgrenze von einer Million pro Monat, korrigierte sich aber wenig später und sagte, dass es um Jahreseinnahmen ginge. Schätzungen von Steuerexperten zufolge gibt es in Frankreich etwa 15.000 Superverdiener, die davon betroffen wären. Laut einer Berechnung würde diese Steuererhöhungen für die Reichsten der Staatskasse 150 bis 200 Millionen Euro mehr einbringen... falls diese auch wirklich bezahlen. Für Hollande ist es „eine Frage des Patriotismus“, dass die Privilegierten ein zusätzliches Opfer für die Nation bringen.

Diese wurden aus der Sicht der Linken nämlich während der ersten Jahre der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy nicht nur geschont, sondern auch in ungehöriger Weise mit Steuergeschenken bedacht. Das hat dem bisherigen Staatschef den für Frankreich wenig schmeichelhaften Ruf eingebracht, der „Präsident der Reichen“ zu sein. Dass sich nun sein Gegner als Rächer der Armen und Enterbten aufspielt, bringt ihn in die Bredouille. Zwar hat auch Sarkozy zusätzliche Abgaben für Kapitalerträge wie Dividenden angekündigt, aber zugleich hat er die Schwelle der bisherige „Reichtumssteuer“ auf große Vermögen von 790.000 auf 1,3 Millionen angehoben und sehr eingeschränkt. Zuletzt hat Sarkozy auch versprochen, vergoldete Willkommens- und Abschiedsgeschenke für Spitzenmanager – wie Optionen und Abfertigungszahlungen – abzuschaffen.

„Einladung zur Steuerflucht“

Die drakonische Einkommensteuer für Millionäre aber ist seiner Meinung nach kontraproduktiv. Hollandes Vorschlag sei eine „steuerpolitische Flucht nach vorn“, meinte dazu Außenminister Alain Juppé. Und sein UMP-Parteikollege Eric Ciotti warnte: Wer den Reichtum konfiszieren wolle, zwinge die Vermögenden bloß zur Steuerflucht. Die Konservativen erinnern daran, wie 1981, beim Wahlsieg des Sozialisten François Mitterrand, viele Begüterte aus Angst vor einem roten Steuerterror mit ihrem Geld kofferweise nach Genf ins Exil gingen. Für die Zeitung „Le Figaro“, die in dramatischen Tönen von einer neuen Welle von Steuerflüchtlingen nach Genf berichtet, hat der Exodus sogar schon begonnen.

Hollande weiß aber, dass selbst so drakonische Steuervorschläge im egalitären Frankreich ankommen. Spätestens seit der Bettencourt-Affäre, bei der die Franzosen unter anderem entdeckt haben, wie vergleichsweise wenig Steuern die L'Oréal-Erbin bezahlt, ist Milliardär-Bashing zudem geradezu populär. Ernst ist Hollandes Wahlversprechen aber aus einem anderen Grund zu nehmen: Steuererhöhungen sind in Frankreich bisher nämlich immer die erste Wahl. Auch die bisherige konservative Staatsführung hat fast ausschließlich die Einnahmen zu vergrößern versucht, die Staatsausgaben aber kaum nach unten korrigiert. Eines scheint darum klar zu sein: Wer auch immer am 6. Mai nächster Präsident wird, weniger Steuern kann und wird er so schnell weder den Reichen noch den weniger Reichen versprechen.

Zur Person

François Hollande ist Kandidat der Parti Socialiste (PS) und der Parti Radical de Gauche (PRG) bei der Präsidentschaftswahl 2012. Der 1954 geborene Jurist war fast 30 Jahre mit Ségolène Royal verheiratet, die bei der Präsidentenwahl 2007 kandidierte. Nach der Präsidentschaftswahl, die Royal verlor, gab das Paar seine Trennung bekannt. In den jüngsten Umfragen führt Hollande mit 31,5 Prozent vor Sarkozy mit 27 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2012)

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