Ukrainische Parteien im Fusionsfieber

(c) EPA (Dmitriy Khrupov)
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Angeschlagene „Partei der Regionen“ verbreitert Machtbasis vor Parlamentswahlen im Herbst. Demokratiepolitisch sei nichts gegen die „Konzentration von Verantwortung“ einzuwenden.

Wien/Kiew. Der ukrainische Parlamentspräsident Wolodymyr Litwin verteidigte einmal im Gespräch mit der „Presse“ die Konsolidierung des regierungsnahen Lagers kühl als Ratio des Regierens: Die Partei der Regionen von Präsident Viktor Janukowitsch sei nun mal die „Partei der Macht, die die Politarena auf längere Zeit betreten“ habe. Warum sollten Kleinparteien wie sein „Block Litwin“ nicht eine Fusion anstreben? Demokratiepolitisch sei nichts gegen die „Konzentration von Verantwortung“ einzuwenden.

Nun ist dem Mann mit dem schlohweißen Haar ein anderer zuvorgekommen: Die „Starke Ukraine“-Partei von Vizepremier Sergej Tigipko hat sich am Wochenende selbst abgeschafft, um in der Regierungspartei aufzugehen. Tigipko wurde umgehend zum Vizeparteichef ernannt – und hat offenbar Ambitionen auf höhere Ämter. Die Tage des viel gescholtenen jetzigen Parteichefs und Premiers Mykola Azarow scheinen jedenfalls gezählt. In Kiew machen Gerüchte die Runde, dass sich der 64-Jährige nach seiner Pensionierung nach Wien zurückziehen könnte: Schließlich besitzt besitzt sein Sohn laut „Ukrainskaja Prawda“ hier ein Anwesen. Azarow schweigt dazu.

Polithandel vor dem Wahlherbst

Sechs Monate vor den Parlamentswahlen scheint der Wille zur Einigung besonders ausgeprägt: Die schwächelnde Partei der Regionen verbreitert so ihre Machtbasis. „Sie scheint alles zu nehmen, was willig ist“, meint Ukraine-Experte Winfried Schneider-Deters dazu. Die Anführer der Miniparteien veräußern ihre weitgehend ideologiefreien Politprojekte für ein Kuchenstück der Macht. „Sie wollen ihre Schäfchen ins Trockene bringen“, sagt Schneider-Deters. Weitere könnten Tigipkos Beispiel folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2012)

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