"Massaker von Katyn": EGMR verurteilt Russland

Polish woman kneels during a commemoration ceremony at a memorial complex in Katyn
Polish woman kneels during a commemoration ceremony at a memorial complex in Katyn(c) REUTERS (Vasily Fedosenko)
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erklärte die Ermordung von mehr als 20.000 Offizieren und Zivilisten zu einem Kriegsverbrechen. Die Angehörigen der Opfer seien "unmenschlich behandelt" worden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) in Straßburg hat Russland am Montag schuldig gesprochen. Der Grund: Angehörige der Opfer des sogenannten Massakers von Katyn im Jahre 1940 seien "unmenschlich und erniedrigend behandelt" worden. Damit verstieß Russland nach Ansicht des Gerichts gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Über zahlreiche Punkte der Klage, die von den Angehörigen eingereicht wurde, fällte das Gericht kein Urteil, weil Russland hier eine Zusammenarbeit verweigert hatte.

Die Angehörigen hatten angeführt, dass Russland ihnen keinen Einblick in die Ermittlungen der dortigen Staatsanwaltschaft zu Katyn gewährt hatte, dass keine Auskunft über den genauen Verbleib der Leichen erteilt und das Katyn-Massaker immer wieder als historischer Fakt in Zweifel gezogen worden sei. Die sich daraus ergebende "unmenschliche und erniedrigende Behandlung" der Opfer-Nachkommen bestätigte der Gerichtshof bei zehn von 15 Klägern.

Gleichzeitig stellte er fest, dass es sich bei dem Massaker um ein Kriegsverbrechen handelte. Schon im Vorfeld hatten die Angehörigen dies zu einem wichtigen Ziel erklärt, "obwohl wir keinen Zweifel haben, dass es sogar ein Völkermord war", sagte die Klägerin Wanda Rodowicz der Zeitung "Rzeczpospolita".

Rüge für fehlende Kooperation

Zum wichtigsten Klagepunkt, einer Bewertung des russischen Ermittlungsverfahrens zu Katyn, äußerte sich der Gerichtshof nicht. Er rügte die Verantwortlichen in Moskau dafür, dass sie nicht mit dem Gericht kooperierten und so den Artikel 38 der Menschenrechtskonvention verletzten. So erhielten die Richter keine Kopie der Entscheidung der russischen Militär-Staatsanwaltschaft von 2004, das Verfahren einzustellen.

Die Angehörigen der Opfer zeigten sich zwar mit der Verurteilung Russlands zufrieden, kündigten nach Informationen polnischer Medien jedoch Einspruch an. Dadurch wollten sie erreichen, dass eine höhere Instanz ein Urteil auch über das russische Ermittlungsverfahren fälle, hieß es in Kommentaren. Vertreter Moskaus erklärten sich unter Vorbehalt einverstanden mit dem Urteil. "Auf den ersten Blick scheint das Urteil zufriedenstellend und ausgewogen, aber wir müssen es noch genau untersuchen", erklärte der russische Vertreter beim Europarat, Wladislaw Jermakow, gegenüber Journalisten.

Massaker von Katyn

Unter dem Begriff "Massaker von Katyn" wird die Ermordung von mehr als 20.000 polnischen Offizieren und Zivilisten durch den Sowjetgeheimdienst NKWD 1940 zusammengefasst. Der Geheimdienst hatte die Massenerschießungen laut Historikern an mehreren Orten, darunter bei Katyn, vorgenommen, um nach dem Einmarsch in Polen die polnische Intelligenz und damit den Widerstand gegen die Besatzung zu schwächen.

(APA)

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