Der tot in der Donau gefundene libysche Ex-Ölminister hätte in Libyen befragt werden sollen. Eine Vorladung wurde an Interpol übermittelt. Ein toxologisches Gutachten wird kommende Woche fertig.
Der in Wien unter nach wie vor mysteriösen Umständen ums Leben gekommene ehemalige libysche Ölminister Shukri Ghanem wurde in seiner Heimat von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen gesucht. Staatsanwalt Abdelaziz al-Hasadi wollte gegenüber Reuters am Mittwoch keine Details zu den Ermittlungen angeben, erklärte aber, man habe "eine Vorladung ausgestellt", die nicht notwendigerweise zu einer Verhaftung Ghanems führen hätte müssen.
"Man wollte lediglich bestimmte Informationen von ihm", erklärte der Staatsanwalt. Nachdem Ghanem schon seit einiger Zeit in Wien lebte und die libysche Vorladung keine internationale Gültigkeit hat, hätten die Behörden vor rund einem Monat Interpol eingeschaltet. Man habe von dort aber bis zuletzt "keine eindeutige Antwort bekommen", so Al-Hasadi. Der 69-Jährige, der mit seiner Familie in Wien lebte, war Sonntagmorgen von einem Passanten tot in der Neuen Donau aufgefunden worden.
War der Tote Nichtschwimmer?
Die Ursache für Ghanems Tod ist nach wie vor unklar. Am Dienstag kolportierte Berichte, der 69-Jährige sei Nichtschwimmer gewesen, konnte die Wiener Polizei am Mittwoch nicht bestätigen. Noch seien keine neuen Informationen verfügbar. Ein toxikologische Gutachten werde nicht vor Anfang nächster Woche erwartet, ob der ehemalige libysche Minister schwimmen konnte oder sich verfolgt fühlte, sei noch Gegenstand der Ermittlungen.
Am Dienstag hatte Issam Khalabi, ehemaliger irakischer Ölminister und Geschäftspartner Ghanems, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, Ghanem sei Nichtschwimmer gewesen. Mehrmals hätten ihn Freunde gewarnt vorsichtig zu sein. Er glaube nicht, dass Ghanem Opfer eines Unfalls wurde.
Unbeliebt bei alter und neuer libyscher Führung
Der libysche Minister habe sowohl den Ärger des ehemaligen libyschen Regimes auf sich geladen, da er desertiert sei, als auch jenen der gegenwärtigen Machthaber, da er laut Medienberichten in undurchsichtige Ölgeschäfte involviert gewesen sein soll.
Ghanem sei stets um seine Sicherheit besorgt gewesen und habe sich verfolgt gefühlt, sagte ein weiterer ehemaliger Ölminister am Dienstag. Die Familie des Toten hielt sich bisher bedeckt. Sie hoffe, den Leichnam am Donnerstag nach Libyen überstellen zu können.
Ghanem war von 2003 bis 2006 Ministerpräsident und von 2006 bis Mai 2011 Ölminister Libyens. Von 1993 bis 2001 arbeitet er in Wien für die Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC), wo er teilweise den Posten des Vize-Generalsekretärs innehatte. Vor seiner Abkehr vom Gaddafi-Regime war er im März des Vorjahres laut Medien verdächtigt worden, in Österreich Milliarden-Summen für den damaligen Machthaber geparkt zu haben. Das Außenministerium hatte jedoch stets bekräftigt, dass Ghanem weder auf EU- noch auf UN-Sanktionslisten stehen würde. Zuletzt hatte der Libyer gemeinsam mit Teilen seiner Familie in Wien gelebt und dort ein Consulting-Büro betrieben.
(Ag.)