Bei einem Angriff von Schlägern auf eine Salafisten-Demo sterben mindestens 20 Menschen. Erst als Anwohner vor die Polizeistation zogen und ein Eingreifen forderten, wurden die Sicherheitskräfte aktiv.
Kairo/Mg. Bereits zwei Tage nach dem offiziellen Beginn wird der Präsidentenwahlkampf in Ägypten von schweren Ausschreitungen in Kairo überschattet. Wie Augenzeugen berichteten, fielen Mittwoch früh organisierte Schlägerhorden mit Molotowcocktails, Pistolen, Knüppeln und Stahlpeitschen über etwa eintausend Salafisten her, die seit Freitag vor dem Verteidigungsministerium mit einem Sit-in gegen die Disqualifikation ihres ultrakonservativen Kandidaten Hasem Abu Ismail protestieren. Mindestens 20 Menschen wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums getötet, über 160 verletzt. Die Angegriffenen wehrten sich mit Steinen.
Auf TV-Bildern vom umkämpften Abbasiya-Platz waren übel zugerichtete Opfer zu sehen mit Prügelstriemen quer über den Rücken. Ärzte zählten mehr als ein Dutzend Verletzte, die durch kleinkörnige Schrottkugeln in die Augen getroffen wurden. Mindestens zwei Menschen starben durch Schüsse in den Kopf. Zeitweise blockierten Schläger die Zugänge zum nahegelegenen Al-Shefa- Krankenhaus, holten Verletzte aus Krankenwagen und verschleppten sie. Erst als Anwohner vor die Polizeistation zogen und ein Eingreifen forderten, wurden die Sicherheitskräfte aktiv. Gegen Mittag zogen Armee und Sonderpolizei auf.
Kritik an Generälen
Angesicht der Toten setzten die beiden populärsten islamistischen Präsidentschaftskandidaten Mohamed Mursi von der Muslimbruderschaft und sein Rivale Abdel Moneim Abul Fotouh ihren Wahlkampf aus – zunächst für 48 Stunden. Mursi kritisierte den Obersten Militärrat: Die Generäle müssten für Ordnung sorgen. Die Salafisten, die im Parlament ein Viertel der Sitze haben, hatten zuvor Fotouh ihre Unterstützung zugesagt.
In den Büros aller Kandidaten geht man davon aus, dass die Schläger von Kräften des alten Mubarak-Regimes angeheuert wurden, um den Wahlkampf aus den Gleisen zu bringen. Der erste Wahlgang ist für 23. und 24. Mai angesetzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2012)