Serbien: Tadićs Demokraten lassen Federn

Serbien: Tadićs Demokraten lassen Federn
Serbien: Tadićs Demokraten lassen Federn(c) REUTERS (IVAN MILUTINOVIC)
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Großer Gewinner der Parlamentswahl sind die Milošević-Sozialisten. Bei der Präsidentenwahl muss Amtsinhaber Tadić in den Stichentscheid.

[Belgrad] Serbiens Ex-Autokrat Slobodan Milošević ist zwar seit 2006 tot, doch seine Sozialistische Partei ist lebendiger denn je: Sie war die einzige politische Kraft, die nach der Parlamentswahl am Sonntag Grund zu ausgelassenen Jubelgesängen hatte: Mit 16,6 Prozent hat der Juniorpartner in der bisherigen Regierungskoalition seinen Stimmenanteil nahezu verdoppelt.

Kräftig gerupft wurde hingegen die größere Regierungspartei, die Demokraten (DS) von Präsident Boris Tadić. Gegenüber 2008 hat die DS fast ein Drittel ihres Anhangs eingebüßt, Hochrechnungen des nichtstaatlichen Belgrader Zentrums für Freie Wahlen und Demokratie (CESID) zufolge kam sie nur auf 23,2 Prozent. Damit liegen die Demokraten hinter der rechtspopulistischen Fortschrittspartei von Oppositionschef Tomislav Nikolić, die erstmals angetreten war und aus dem Stand auf prognostizierte 24,7 Prozent kam. Bereits am Montag will Parteichef Nikolić Gespräche über eine Regierungsbildung aufnehmen: "Wir werden eine neue Regierung, mit neuen Ideen und einen neuen Staatschef bekommen."

Abgestimmt wurde nämlich auch über einen neuen Präsidenten, die Entscheidung fällt aber erst bei der Stichwahl in zwei Wochen: Tadić konnte wie erwartet mit 26,8 Prozent die meisten Stimmen auf sich vereinen und trifft in der zweiten Runde auf seinen alten Rivalen Nikolić, der mit 25,6 Prozent fast gleich stark abschnitt. Der Ausgang der Stichwahl ist völlig offen.

Vorab zeigten sich aber beide siegessicher. "Der Sieg ist vor uns", sagte Nikolic. Der frühere Ultranationalist hatte sich bisher dreimal vergeblich um das Präsidentenamt bemüht. Zwei Mal verlor er die Stichwahl gegen Tadic. Dieses Mal sei er zum ersten Mal fest davon überzeugt, die Stichwahl gewinnen zu können, erklärte Nikolic. "Wir werden siegen", zeigte sich Tadic ebenfalls optimistisch. Die zweite Wahlrunde werde entscheiden, wie Serbien in den nächsten Jahren aussehen werde, hob der DS-Chef hervor. Er sei überzeugt, dass sich Serbien mit ihm an der Staatsspitze schneller in die Richtung der Europäischen Union bewegen werde, als dies mit Nikolic der Fall wäre.

Harter Koalitionspoker

Mindestens bis zur Stichwahl ist ein harter Koalitionspoker um die Bildung der neuen Regierung vorprogrammiert. Die Rolle des Königsmachers dürfte wie schon 2008 den Sozialisten zufallen. Deren Chef, Innenminister Ivica Dačić hatte in der Endphase des Wahlkampfs jede klare Koalitionsaussage vermieden. Die SNS soll ihm laut Medienberichten bereits den Posten des Premiers für einen Frontenwechsel angeboten haben.

An die Futtertröge der Macht drängt es auch die bislang oppositionellen Liberaldemokraten, die mit 6,6 Prozent aber klar unter den eigenen Erwartungen blieben. Die Partei, die sich im Wahlkampf als einzige für eine Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos eingesetzt hatte, gilt als natürlicher Partner der DS. Doch eine Zusammenarbeit mit den auf nationalistischem Kurs segelnden Sozialisten könnte problematisch werden.
Die europaskeptische DSS von Ex-Premier Vojislav Koštunica, die auf sieben Prozent kam, gilt als potenzieller Partner für die SNS. Die Radikalen, lange bestimmende Oppositionskraft, verpassten laut ersten Resultaten den Einzug.

Die Parteien, allen voran die Regierung, hatten im Wahlkampf zwar goldene Zukunftsversprechen auf die Wahlplakate gepinselt. Doch statt bessere Tage warten auf das krisengebeutelte Land eher noch unsicherere Zeiten. Konjunkturprognosen und das restlos geplünderte Staatssäckel werden fast alle der kostspieligen Wahlprogramme zur Makulatur machen. Die Arbeitslosigkeit, jetzt schon auf Rekordniveau von 23,7 Prozent, dürfte noch ansteigen. Im ersten Quartal des laufenden Jahres ist der Wert der bescheidenen Ausfuhren um weitere zehn Prozent gesunken. Zwar konnte sich Serbiens Wirtschaft 2011 mit einem kleinen Wachstum von 1,6 Prozent leicht erholen, doch segelt sie mittlerweile wieder voll auf Rezessionskurs: Im Februar wurde mit minus 13 Prozent der größte Einbruch seit der Nato-Bombardierung 1999 vermeldet.

Größter Investor haute ab

Mercedes, Siemens, Deutsche Bank: Fast keinen deutschen Weltkonzern ließ Staatschef Tadić beim Buhlen um Wählerstimmen bei der Aufzählung der angeblich nach Serbien drängenden Investoren aus. Andere haben schon genug: Im Jänner verabschiedete sich der größte Investor, der Metallkonzern US-Steel, aus dem kriselnden Gastland. Die teuer bezahlte Ansiedlung des Autoriesen Fiat müht sich Belgrad zwar als Vorbote der ersehnten Modernisierung der heimischen Wirtschaft zu verkaufen. Doch die von Tadić angekündigte Investitionsflut durch die Verleihung des EU-Kandidaten-Status Anfang Februar wird eher als frommer Wunsch aus dem Reich der Wahlkampffabeln gewertet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

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