Bis 2020 soll das Abwehrsystem für Europa komplett sein. Zum Einsatz kommen Radarstationen und Abfangraketen an Land und zu Wasser.
Die Nato hat die Vorbereitungsphase für ihre neue Raketenabwehr abgeschlossen. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Nato-Staaten erklärten am Sonntag (Ortszeit) in Chicago, das System sei nun teilweise einsatzbereit.
Bis 2020 soll der Raketenschild vollständig stehen. Das Projekt sieht den Aufbau eines Netzes aus Radaranlagen und Stellungen mit Abfangraketen vor, um Europa vor einer möglichen Bedrohung durch Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 3000 Kilometern, etwa aus dem Iran, zu schützen.
Russland hatte wenige Stunden vor dem Beschluss erneut vor diesem Schritt gewarnt. Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow sagte in Moskau, die Raketenabwehr könne das strategische Gleichgewicht stören.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen versuchte erneut, die russischen Bedenken zu zerstreuen: "Es gibt eine reale Bedrohung, und dagegen brauchen wir eine reale Verteidigung. Und natürlich kann Russland das nicht blockieren." Er hoffe, dass die Führung in Moskau irgendwann verstehe, dass eine Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse sei.
So funktioniert der Raketenschild
Die Raketenabwehr der Nato soll ganz Europa vor möglichen atomaren Angriffen von Staaten wie dem Iran schützen. Der ursprüngliche Plan von George W. Bush für eine US-Abwehr mit bodengestützten Abfangraketen in Zentraleuropa steht nicht mehr zur Debatte. Seit September 2009 geht es um eine Abwehr der Nato, die in vier Phasen flexibel aufgebaut und ab etwa 2020 einsatzbereit sein soll. Diese Abwehr (Phased Adaptive Approach) wurde von US-Präsident Barack Obama vorgeschlagen. Sie setzt stark auch auf mobile Abfangraketen an Bord von Schiffen und U-Booten.
Die "Anfangsbefähigung" (Interim Operational Capability) der Raketenabwehr, die in Chicago erklärt wird, betrifft erste Elemente der ersten Phase. Die USA haben Kreuzer im Mittelmeer stationiert, Spanien hat die Marinebasis Rota bei Cádiz als Heimathafen der US-Schiffe breitgestellt, in der südöstlichen Türkei ist eine hochmoderne Radaranlage aufgestellt worden, im deutschen Ort Ramstein ist die Kommandozentrale der Raketenabwehr entstanden.
In den Phasen 2 bis 4 kommen Abschussbasen für bodengestützte Abfangraketen in Polen und Rumänien hinzu. Zwischen 2018 und 2020 sollen dann neue Abwehrraketen erprobt werden, die auch Langstreckenraketen unschädlich machen können. Ein Hauptproblem der Raketenabwehr ist, dass nur wenige Minuten - im besten Fall etwa 20 Minuten, oft aber weniger - bleiben, um eine feindliche Rakete zu identifizieren und mit einer Abfangrakete zu treffen.
Allerspätestens in der letzten Phase, sagen Diplomaten, müsse es Klarheit darüber geben, ob es doch noch zu einer Zusammenarbeit mit Russland komme. Moskau lehnt die Raketenabwehrpläne ab, weil es fürchtet, damit könnten die eigenen strategischen Atomwaffen entwertet werden. Die Nato argumentiert, die Sorge vor einer Veränderung des strategischen Gleichgewichts sei unbegründet. Die Nato-Abwehr sei auf auf einzelne Raketen von "Schurkenstaaten" ausgerichtet. Sie sei technisch nicht dazu in der Lage, große Mengen russischer Atomraketen am Eindringen in den Nato-Luftraum zu hindern. Zudem sei die Nato bereit, technische Informationen mit Russland auszutauschen und russischen Experten Zugang zu der Abwehr zu gewähren.
(Ag. )