Parlamentswahl: Frankreich erlebt zweiten Linksruck

Junge Sozialisten feiern in Paris.
Junge Sozialisten feiern in Paris.(c) EPA
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Nach dem ersten Durchgang bahnt sich die erwartete Niederlage der bürgerlich-konservativen UMP von Ex-Präsident Sarkozy an. Die Sozialisten des neuen Präsidenten Hollande zählen auf Unterstützung der Grünen.

Paris. Frankreichs neuer Staatspräsident François Hollande konnte Sonntagabend halbwegs aufatmen: Die Ergebnisse des ersten Durchgangs der Parlamentswahl lassen die Prognose zu, dass die Linke nach der Stichwahl am kommenden Sonntag über eine Mehrheit von bis zu 329 der 577 Sitze verfügen wird.

Laut dem amtlichen Endergebnis kommen die Sozialisten, die vor fünf Jahren im nationalen Durchschnitt bei 24,7 Prozent lagen, dieses Mal auf 29,4 Prozent. Die bürgerlich-konservative "Union für eine Volksbewegung" (UMP) des am 6. Mai abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy rutschte ab. Sie bekam 27,1 Prozent der Stimmen im Vergleich zu 39,5 Prozent im Jahr 2007. Da die UMP im Gegensatz zur PS über keine Koalitionsmöglichkeiten verfügt, wird sie erstmals seit 2002 wieder auf die Oppositionsbänke müssen. Die endgültige Entscheidung über die Sitzeverteilung fällt erst in der zweiten Runde am kommenden Sonntag.

Premiere für die Linke?

Nur in einer kleinen Minderheit der Wahlkreise wurde der Sitz bereits auf Anhieb mit einer absoluten Mehrheit erobert. Noch ist hingegen unklar, ob die Sozialisten eine absolute Regierungsmehrheit bekommen, oder ob sie auf die Grünen (5,5 Prozent) oder sogar die radikalere Linksfront (Front de Gauche) von Jean-Luc Mélenchonan (7 Prozent) angewiesen sein werden. Mit den Grünen haben sich die Sozialisten auf eine Plattform geeinigt, die als Grundlage einer Koalition dienen kann. Viel komplizierter wären die Diskussionen mit der Linksfront.

Zusammen mit ihren Verbündeten könnten die Sozialisten mit 283 bis 329 der 577 Mandate in der Nationalversammlung rechnen. Die absolute Mehrheit liegt bei 289 Abgeordneten. Es wäre das erste Mal, dass in Frankreich eine linke Partei den Präsidenten stellt und zugleich die Mehrheit in beiden Parlamentskammern hat. Seit dem vergangenen Jahr hat die Linke erstmals seit Bestehen der Fünften Republik die Mehrheit im Senat, dem indirekt gewählten Oberhaus.

Le Pen schafft Sensation 

Wenig Aussagekraft hat wie meistens der nationale Stimmenanteil für den rechtsextremen Front National (FN). Die 13,6 Prozent verdecken große lokale Differenzen. Vor allem schafft die FN-Parteichefin Marine Le Pen in ihrer nordfranzösischen Hochburg die Sensation: Mit 48 Prozent gelang ihr offenbar sogar fast die Wahl im ersten Anlauf. Für die FN-Chefin wäre die Eroberung des Abgeordnetenmandats jedenfalls bereits ein enormer Sieg für ihre Partei, die bisher wegen des Mehrheitswahlsystem keinen einzigen Sitz in der großen Kammer hatte. Auch in zahlreichen anderen Wahlkreisen kann sich der FN mit Stimmenanteilen von mehr als 20 oder 30 Prozent für die Schlussrunde qualifizieren.

Marine Le Pen erklärte ihre Partei zur "dritten politischen Kraft in Frankreich". Mélenchon zeigte sich "enttäuscht" von dem Ergebnis der Linksfront, erklärte aber, die Partei dürfe sich "nicht geschlagen geben".

Zitterpartie für Regierungsmitglieder

Glimpflich scheint für die meisten Regierungsmitglieder der Wahltest verlaufen zu sein. Premierminister Jean-Marc Ayrault und Außenminister Laurent Fabius beispielsweise wurden gleich auf Anhieb, also mit mehr als 50 Prozent der Stimmen in ihren Wahlkreisen gewählt, andere, die mit ihrer Kandidatur ein Risiko eingegangen waren, sind immerhin in einer eher vorteilhaften Ausgangslage. Wirtschaftsminister Pierre Moscovici etwa muss in die Stichwahl. Es gilt die Regel, dass Minister, die in der Wählergunst durchfallen, ihren Regierungsposten abgeben müssen.

(Ag./Red.)

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