Was will Griechenlands Linksbündnis?

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Der Chef von Syriza, Alexis Tsipras, verspricht seinen Wählern die Rücknahme von Lohnkürzungen und die Tilgung privater Schulden. Finanzieren will er das durch Vermögensteuern und durch den Griff in EU-Töpfe.

Athen/C.g. Wenige Tage vor der griechischen Parlamentswahl am 17. Juni hat sich das Sperrfeuer des „Establishments“ gegen das Linksbündnis Syriza mit ihrem Jungstar Alexis Tsipras weiter verdichtet. Griechische Medien, Parteien und Banken sagen eine Katastrophe für den Fall eines Sieges von Syriza voraus, das bei den Wahlen am 6.Mai mit knapp 17 Prozent zweitstärkste Partei hinter den Konservativen geworden war. Griechenlands Rausschmiss aus der Eurozone, so die Gegner, und der völlige Zusammenbruch des Staates wären dann so gut wie sicher.

Tsipras ließ sich dadurch bisher nicht sichtbar beeindrucken. Er bleibt seiner Rhetorik gegen die Sparverträge treu und beharrt auf einer Aussetzung der sogenannten „Memoranden“, die er für die „Auflösung“ der griechischen Gesellschaft verantwortlich macht. Auch hier gibt es freilich feine Unterschiede: Die Kreditverträge selbst will er nur „neu verhandeln“ beziehungsweise eine zeitweilige „Aussetzung“ erreichen. Was die Wähler davon halten, ist – noch – nicht sicher: Die letzten veröffentlichten Meinungsumfragen vor einer Woche zeugten von einem offenen Rennen zwischen Konservativen und Syriza und sagten Gewinne beider Parteien auf Kosten kleinerer Wahlwerber voraus.

Rückkehr zum „starken Staat“

Doch was ist vom „radikalen“ Linksbündnis, wie es sich selbst stolz nennt, zu erwarten, falls es die Wahlen gewinnen sollte?

Zunächst will Syriza die „humanitäre Krise“ bekämpfen, die die Sparmemoranden ausgelöst haben. Das bedeutet für Tsipras und seinen Schatten-Finanzminister Giannis Dragasakis das sofortige Einfrieren von Kürzungen bei Sozialausgaben und Löhnen im Privatsektor; die Rücknahme von Pensionskürzungen, die Wiederanhebung des Mindestlohns auf 751 Euro, die Ausdehnung der Arbeitslosenunterstützung auf zwei Jahre, das Einfrieren aller Sondersteuern der letzten Jahre.

Stark sozialromantische Züge haben geplante Schuldenerlässe für überschuldete Haushalte, Bauern und Kleinunternehmen. Die Kredite der Haushalte sollen analog zu den Einkommenseinbußen der vergangenen Jahre ganz oder teilweise gestrichen werden, die Schulden der Bauern „geregelt“ und die landwirtschaftliche Produktion durch Kredite mit subventionierten Niedrigzinsen gestärkt werden. Voraussetzung dafür wären die Verstaatlichung der Banken und die Einsetzung von Managern durch die öffentliche Hand.

Freilich wurden die Banken im Zuge der Kapitalaufstockungen nach dem Schuldenschnitt im Februar bereits quasi verstaatlicht. Die Regierung entsandte Vertreter in die Bankenaufsichtsräte, sie haben bei strategischen Entscheidungen Mitspracherecht. Doch Syriza will die Kreditinstitute völlig unter staatliches Kuratel stellen – wie das mit dem Kampf gegen Parteibuchwirtschaft und Parteienbesetzungen, den Syriza auf seine Fahnen geschrieben hat, vertretbar ist, bleibt Geheimnis der Linkspartei. Ihre Kader denken offensichtlich, sie seien über die Niederungen der Parteipolitik erhaben.

Stoppen will man auch die anstehenden Privatisierungen der Strom- und Wassergesellschaft, der staatlichen Bahnen, der Postbank und der öffentlichen Nahverkehrsmittel. Laut EU sollen Privatisierungen und die Verwertung staatlicher Immobilien bis 2015 an die 50 Milliarden Euro für die leeren Staatskassen erwirtschaften – ein Programm, das schon zum Zeitpunkt seiner Initiierung durch EU und Internationalen Währungsfonds von Experten als unrealistisch betrachtet wurde – speziell in Zeiten fallender Aktien- und Immobilienwerte.

Besonders schlecht ist Syriza auf das griechische Großunternehmertum zu sprechen: Die „Krawattenträger“ seien eine „dritte Kolonne“, die in Brüssel Lobbying für die Auflösung des Sozialstaates mache. Das Rezept dagegen: Forcierung der „sozialen Wirtschaft“ und verstärkte betriebliche Selbstverwaltung. Mit Berufung auf Umweltsünden und „Ausraubung“ des Staates will Syriza Großprojekte wie den Bau einer Müllaufbereitungsanlage in Attika oder die Ausbeutung einer Goldmine in Nordgriechenland durch private Träger stoppen. Die Kritik der Linken an der Umgehung von gesetzlichen Auflagen ist nicht immer unbegründet, aber für die Wachstumskritiker in ihren Reihen scheint jegliche Investition verdächtig.

Erhöhung der Steuerquote

Den öffentlichen Sektor will Syriza umbauen, aber nicht kürzen: Die Ausgaben Griechenlands für den Staat lägen unter dem EU-Durchschnitt, eine Quote von 44 Prozent des BIPs sei daher realistisch. Teuer macht den Beamtenstaat jedoch vor allem seine Ineffizienz. Nicht mitberücksichtigt sind außerdem die Staatsausgaben für das Sozial- und das Gesundheitssystem.

Finanzieren will man alles durch Erhöhung der Steuerquote von 41 auf 45 Prozent. Das soll durch die Ausräumung von Steuerprivilegien für bestimmte Gruppen, die Einführung einer Vermögensteuer und die Erhöhung der Einkommensteuer für Wohlhabende (derzeitige Höchstgrenze: 45 Prozent) erreicht werden. Für Notleidende und Arbeitslose will Tsipras die zweckgewidmeten EU-Mittel aus dem Vierten EU-Rahmenprogramm verwenden.

Ob er die Rechnung hier nicht ohne den (EU-)Wirt macht, bleibt – wie bei vielen Punkten seines Programms – offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2012)

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