Patriotismus mit Kalkül

Alexander Van der Bellen und der Heimatbegriff
Alexander Van der Bellen und der HeimatbegriffAPA/HANS KLAUS TECHT
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Rudolf Hundstorfer beschwört die Sicherheit, Andreas Khol seine Stärke, und Alexander Van der Bellen ärgert die FPÖ mit dem Heimatbegriff. Was hinter den Kampagnen steckt. Und warum sie einander doch ähneln.

Wien. Berge, Wiesen und Seen im sanften Sonnenlicht: Die Kulisse für Alexander Van der Bellens durchaus lebendige Wahlplakate erinnert an die ÖVP-Kampagne vor der Nationalratswahl 2013, als Michael Spindelegger den Kanzlerkandidaten für die „Weltoffenen“ und die „Tatkräftigen“ gab. Auch die Botschaften, die der ehemalige Grünen-Chef verschickt, würde man im ersten Impuls eher anderen Parteien zuordnen, der ÖVP vor allem, aber auch den Freiheitlichen. „Heimat braucht Zusammenhalt“, heißt es da. „An Österreich glauben.“ Oder: „Wir alle gemeinsam.“

Van der Bellens neuer Patriotismus ist natürlich einer mit Kalkül. Denn mit der grünen Stammklientel allein wird die Bundespräsidentenwahl am 24. April nicht zu gewinnen sein. „Natürlich möchten wir potenzielle Wähler aus unterschiedlichen Schichten ansprechen“, sagt sein Wahlkampfmanager Lothar Lockl. Dazu zählten Bürgerliche genauso wie SPÖ-Sympathisanten und Nichtwähler. Die Kampagne solle „Breite und Vielfalt zum Ausdruck bringen“.

Im Übrigen, meint Lockl, habe den Heimatbegriff ja niemand gepachtet. In der FPÖ dürfte man damit allerdings einen wunden Punkt getroffen haben. Generalsekretär Herbert Kickl sprach von einem „unglaubwürdigen Wahlkampfgag“ Van der Bellens, seien doch viele Grüne der Meinung, „dass Patriotismus ein Verbrechen ist“.

Heimat? Für wen?

Die FPÖ bewirbt ihrerseits Norbert Hofer mit dem Slogan „Deine Heimat braucht Dich jetzt“ – im klassischen Kickl-Design, vor einer Österreich-Flagge. Wobei die FPÖ nicht dasselbe wie Van der Bellen meint, wenn sie Heimat sagt. Was hier Patriotismus im herkömmlichen Sinn ist, wird dort zur Auslegungssache. Wer möchte, kann Van der Bellen wörtlich nehmen. Für die grüne Wählerschaft hat man sich eine eigene Interpretation ausgedacht: Österreich, sagte Van der Bellen, habe „vielen Heimat gegeben“, auch ihm, dessen Eltern einst vor den Sowjets geflohen waren.

Im aktuellen politischen Kontext ist auch zu verstehen, warum SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer die „Sicherheit“ ins Zentrum seiner Kampagne rückt. Gemeint sei damit nicht nur die Sicherheit vor Bedrohungen wie Terror und Gewalt, erklärte der ehemalige Sozialminister. Es gehe auch um „sichere Arbeitsplätze, sichere Pensionen und eine sichere, intakte Umwelt“.

Seine Gegner fanden es am Donnerstag auffällig, dass das SPÖ-geführte Verteidigungsministerium gerade mit denselben beiden Worten wie Hundstorfer – „Mit Sicherheit“ – wirbt. In Zeiten wie diesen könne es schon sein, dass man auf ähnliche Begriffe komme, hieß es aus der SPÖ. Abgesprochen sei das nicht. Vor allem, weil Hundstorfers Botschaft noch weitergehe: „Mit Sicherheit. Immer für uns.“

„Für uns“ steht hier im Prinzip für alle. Zumal auch Hundstorfer bewusst politisch fremdgeht. Die eigene Klientel soll beim Schlagwort „Sicherheit“ genauso anspringen wie Mitte-rechts-Wähler und jene, die zwischen SPÖ und FPÖ schwanken. Die „sichere Umwelt“ kann hingegen nur eine Ansage an jene sein, die finden, dass sich Van der Bellen zu weit von den Grünen entfernt hat. Es ist nämlich nicht überliefert, dass Hundstorfer jemals zuvor als Umweltpolitiker in Erscheinung getreten ist.

Khol auf Faymann-Kurs

Von der „Sicherheit“ ist es dann nicht mehr weit zum Nationalratswahlkampf der SPÖ, als Werner Faymann versprach, „mit sicherer Hand“ weiterregieren zu wollen. Der Kanzler wurde als jemand präsentiert, der das Land mit seiner Erfahrung aus der Krise führen kann.

Einen ähnlichen Zugang hat die ÖVP nun für ihren Hofburg-Kandidaten gewählt. Andreas Khol beruft sich auf seine politische Routine, aus der ihm – so die Erzählung – eine „Stärke“ erwachsen sei. Khol will also „Österreich stärken“, denn „Erfahrung macht stark“. Passenderweise erschien diese Woche auch sein neues Buch mit dem Titel: „Auf die Stärken unseres Landes bauen.“

Khols Kampagne impliziert, dass Österreich eine Schwächephase erlebt und er der Einzige ist, der das Land da rausholen kann. Eine entfernte Verwandtschaft besteht hier zu Hofers „Deine Heimat braucht Dich jetzt“, aber auch zu Van der Bellen, der gemeint hat, er wolle Österreich von der vorherrschenden „Mieselsucht“ befreien.

Neben Hundstorfer musste sich am Donnerstag auch Khol rechtfertigen, weil er auf seiner Facebook-Seite ein Bild veröffentlicht hatte, das ihn mit Polizisten und dem Zweizeiler „Demokratie allein sichert die Freiheit nicht“ zeigt. Dazu schrieb er: „Die schrecklichen Anschläge in Brüssel haben erneut gezeigt, wie wichtig eine wehrhafte Demokratie mit einem funktionierenden Sicherheitsapparat ist.“

In den Kommentaren gab es viel Kritik, einige User fühlten sich an den Ständestaat erinnert und stellten Khols Demokratieverständnis infrage. Sein Facebook-Team war um Schadensbegrenzung bemüht: Sicherheit brauche eine leistungsfähige Exekutive, die den Bürgern zur Seite stehe. „Ein sicheres Österreich stärkt den Zusammenhalt in der Gesellschaft.“ Womit wir wieder bei der Sicherheit wären.

Nur Irmgard Griss, die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, versuchte sich einstweilen durch ihre Parteiunabhängigkeit von der Konkurrenz abzuheben. Auf ihren Plakaten, die gestern präsentiert wurden, steht: „Unabhängig. Für Österreich.“ Alternativ gibt es auch: „Ehrlich zu Österreich.“ Was das impliziert, müssen wir hier nicht näher ausführen.

AUF EINEN BLICK

Am 24. April wird ein neuer Bundespräsident gewählt. Sollte im ersten Wahlgang keiner eine absolute Mehrheit erreichen, kommt es am 22. Mai zu einer Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Kandidaten. Die SPÖ schickt Rudolf Hundstorfer ins Rennen, die ÖVP Andreas Khol und die FPÖ Norbert Hofer. Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen tritt als Unabhängiger an. Hinzu kommen die ehemalige OGH-Präsidentin Irmgard Griss und Baumeister Richard Lugner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2016)

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