Der Tag, an dem Strache einen Konkurrenten bekam

Der Tag, an dem Strache einen Konkurrenten bekam
Der Tag, an dem Strache einen Konkurrenten bekamREUTERS
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Für Norbert Hofer ist die verlorene Wahl ein heimlicher Sieg. In der FPÖ gibt es plötzlich eine Alternative zu Heinz-Christian Strache. Womöglich bringt das auch SPÖ und ÖVP auf neue (Koalitions-)Ideen.

Wien. Irgendwann am späten Sonntagabend, als er zur FPÖ-Familie in ein Prater-Lokal gestoßen war, sah sich Norbert Hofer gezwungen, die beiden Optionen zu skizzieren, die es nun für ihn gibt. „Entweder Norbert Hofer ist Bundespräsident“, sagte er im gewohnten Kuschelrock-Tonfall und wandte sich dann fast ein wenig schuldbewusst an seinen Parteiobmann: „Oder Norbert Hofer unterstützt Heinz-Christian Strache auf dem Weg zur Kanzlerschaft.“

Dem Publikum gefiel das, frenetischer Jubel brach los. Aber man fragte sich: Wieso sagt Norbert Hofer das jetzt? Will da jemand bloß keine Missverständnisse aufkommen lassen? Muss da jemand seine Loyalität betonen? Fürchtet da jemand Eifersucht, das Misstrauen des Parteichefs?

Auch wenn Strache und Hofer das vielleicht nicht wahrhaben wollen: Durch die Bundespräsidentenwahl ist dem FPÖ-Chef ein interner Konkurrent erwachsen. Plötzlich gibt es eine – theoretische – Alternative zu Strache, einen Rechten ohne radikale Vergangenheit, verbindlicher im Ton, unverbrauchter, breitenwirksamer.

Hofer hat im ersten Wahldurchgang 35 Prozent der Stimmen und im zweiten fast die Hälfte der Österreicher hinter sich versammelt. Von solchen Werten kann sein Parteiobmann bis auf Weiteres nur träumen. Natürlich ist eine Nationalratswahl oder eine Gemeinderatswahl in Wien etwas anders als eine Bundespräsidentenwahl. Aber manch einer in der FPÖ (und darüber hinaus) fragt sich auch, ob Strache bei dieser Wahl genauso gut abgeschnitten hätte.

Der FPÖ-Obmann, der es nicht gewohnt ist, in irgendjemandes Schatten zu stehen, hat das nicht kommen sehen. Niemals hätte Strache gedacht, dass Hofer so weit kommen würde. Dass diese Wahl ein heimlicher Sieg für Hofer werden könnte, selbst dann, wenn sie verloren geht.

Bekannter als Strache?

In der FPÖ ist nun nichts mehr, wie es war, und auch Norbert Hofer ist nicht mehr der Gleiche. Es gibt jetzt einen Davor- und einen Danach-Hofer. Der Davor-Hofer war ein netter, Strache treu ergebener Dritter Nationalratspräsident. Der Danach-Hofer ist jemand in Österreich, einer, den vielleicht mehr Menschen kennen als Strache.

Womöglich bringt das auch die anderen Parteien auf Ideen. Was, wenn die SPÖ oder die ÖVP nach der nächsten Nationalratswahl sagt, sie könne sich mit der FPÖ eine Koalition vorstellen, aber nur mit Hofer, nicht mit Strache? Wäre der dann in seiner Ehre gekränkt? Vermutlich schon. Würde Strache Hofer den Vortritt lassen? Vermutlich nicht. Würde Hofer den Vortritt überhaupt wollen? Offiziell sagt er jetzt natürlich: Nein. Aber er wäre nicht der Erste, der auf den Geschmack kommt.

Lässt man die persönlichen Eitelkeiten einmal beiseite, könnte der neue, starke Hofer natürlich auch ein Vorteil für Strache sein. Manche Freiheitlichen meinen, dass die Partei bei dieser Wahl so oder so gewonnen hat. Also wenn schon keinen Bundespräsidenten, so zumindest an Breite. Vor Hofer war alles auf Strache zugeschnitten, eine One-Man-Show. Künftig könnte man als Doppelspitze auftreten: Strache die Nummer eins, Hofer die Nummer zwei. Scharfmacher und Weichspüler, Bad Cop und Good Cop. Das würde zur zweideutigen Strategie der FPÖ passen. Strache wäre dann derjenige, der die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem mit Burschenschafter-Käppi besucht, während Hofer in Wien erklärt, dass Antisemitismus in der FPÖ keinen Platz hat.

„Hemmschwelle überschritten“

Die FPÖ ist, darüber sind sich alle einig, am Sonntag endgültig im politischen Salon Österreichs angekommen. Nachdem ein Freiheitlicher beinahe Bundespräsident geworden wäre, gibt es für einen FPÖ-Wähler keinen Grund mehr, seine Wahlentscheidung zu verleugnen. Davon könnte die Partei (und die Meinungsforschung) bei der nächsten Nationalratswahl profitieren.

Es sei bei dieser Wahl nicht nur um das Amt des Bundespräsidenten gegangen, sondern auch darum, „wie viele Österreicher sich vorstellen können, FPÖ zu wählen“, analysierte der ehemalige freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer am Wahlabend. Und da sehe er „eine Hemmschwelle überschritten“, unabhängig davon, ob der FPÖ-Kandidat nun gewinne oder nicht.

Einige Stunden später saß Hofer auf der Bühne eines Prater-Lokals und erklärte dem aufgeregten FPÖ-Publikum, dass er im Fall einer Wahlniederlage in sechs Jahren erneut für das höchste Amt im Staat kandidieren wolle. Man hätte hinzuzufügen können: Falls er nicht davor von Alexander Van der Bellen als Minister angelobt wird. Oder als Kanzler – who knows?

(Print-Ausgabe, 24.05.2016)

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