Polizei, Marine, Militär: Profiheer made in Italy

(c) AP (ALESSANDRA TARANTINO)
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Seit 2005 müssen die Italiener keinen Präsenzdienst mehr leisten. Rekrutierungsprobleme hat Österreichs Nachbarland trotzdem nicht. Und 95 Prozent der Freiwilligen haben sogar Matura. von iris bonavida

Wien/Rom. Von Schweden über die Schweiz bis hin nach Deutschland – im Zuge der Bundesheerdebatte wurden vor allem die Streitkräfte dieser Staaten als potenzielle Vorbilder für Österreich herangezogen. Doch wie sieht die Lage eigentlich in Österreichs Nachbarland Italien aus?

Die Streitkräfte im Süden haben schon seit einigen Jahren auf ein Berufsheer umgestellt – und es funktioniert überraschend gut. Überraschend vor allem für die Italiener selbst, erzählt ein Sprecher des Heeres: „Wir hatten eigentlich befürchtet, dass es nicht genügend Interessenten für die Posten als Berufs- und Zeitsoldaten geben wird.“

Aber alles der Reihe nach: Um die Jahrtausendwende entschied sich die damalige Mitte-links-Regierung für ein Ende der zehnmonatigen Wehrpflicht und die Öffnung des Militärs für Frauen – und zwar in Übereinkunft mit der Opposition unter Silvio Berlusconi. Anders als in Österreich ließ man sich dann aber mit der Reform und der Planung des Modells Zeit: Erst im Jahr 2005 wurden keine Grundwehrdiener mehr eingezogen, die Zeit bis dahin nutzte man für einen Umstieg auf Raten.

80.000 Soldaten weniger

Dabei kam den Italienern vor allem der Aufbau der Streitkräfte zugute: Diese teilen sich in Carabinieri (Polizei), Marine, Luftwaffe und das Militär für Einsätze auf dem Land ein. Die Mannstärke dafür wurde von 190.000 Soldaten (zu Wehrpflichtzeiten) auf 110.000 Berufs- und Zeitsoldaten gekürzt. Im Jahr 2016 sollen weitere 10.000 Stellen gestrichen werden.

Wer zum Bundesheer will, muss sich zunächst für einen einjährigen Freiwilligendienst melden. Voraussetzung dafür ist ein Mittelschulabschluss – also acht Jahre Schulausbildung. „Aber gut 95 Prozent der Interessenten haben die Matura“, meint ein Sprecher des Militärs. Im Jahr 2012 wurden 7500 solcher Posten angeboten – gemeldet haben sich 54.000 Männer und Frauen. Dabei ist der finanzielle Anreiz bescheiden: 800 Euro bekommen die Einjährig-Freiwilligen im Monat – inklusive Unterkunft und Verpflegung.

Haben sie diese Ausbildung hinter sich, können sie sich für weitere vier Jahre beim Heer verpflichten (mit einer Bezahlung von knapp 1000 Euro im Monat). Oder aber – und das ist einer der großen Anreize für die Italiener – sie können zur Polizei wechseln. Ein großer Prozentsatz der Carabinieri wird nämlich aus dem Militär rekrutiert.

Der größte Teil der Freiwilligen stammt aus dem Süden Italiens, was man auf dem ersten Blick wohl mit der schlechten wirtschaftlichen Lage verbindet. Interessant ist allerdings, dass die Anzahl der Interessenten ausgerechnet im Krisenjahr 2008 am niedrigsten war, auch die vergangenen Jahre kann man mit dem Ansturm aus dem ersten Jahr nicht vergleichen: Im Jahr 2005 wollten noch 74.000 Menschen zum Heer.

Trotz des Erfolgs muss allerdings auch das italienische Heer sparen – und das, obwohl die Streitkräfte nur 0,92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zur Verfügung haben. Hier hat Italien etwas mit Österreich gemeinsam: Der Großteil (62 Prozent) wird von den Personalkosten geschluckt.

Auf einen Blick

Italien entschied sich um die Jahrtausendwende gegen die Wehrpflicht, 2005 wurde sie tatsächlich abgeschafft. Gleichzeitig wurde auch Frauen eine Militärkarriere erlaubt – sieben Prozent der Soldaten sind nun weiblich. Die meisten Freiwilligen kommen aus dem Süden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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