Bundesheer, EU und Steuern: Die verkehrte Welt von Rot-Schwarz

Bundesheer Steuern verkehrte Welt
Bundesheer Steuern verkehrte Welt(c) Dapd (Hans Punz)
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Die Frage der Wehrpflicht ist nicht die einzige, bei der sich die Koalitionsparteien gedreht haben: SPÖ-Kanzler Faymann wurde zum EU-Freund, ÖVP-Finanzministerin Fekter ist für niedrigere Steuereinnahmen.

Wien. Die ÖVP für, die SPÖ gegen die Wehrpflicht: Es war eine verkehrte rot-schwarze Welt, in der das Stimmvolk am Sonntag zu den Urnen schritt. Denn jahrzehntelang hatte die SPÖ den Grundwehrdienst verteidigt, die ÖVP aber ein Berufsheer – möglichst nach einem Nato-Beitritt – gefordert. Doch dann kam bekanntlich Michael Häupl, der kurz vor der Wien-Wahl im Oktober 2010 ein Profiheer forderte: Dadurch hoffte er, (noch) mehr Stimmen zu bekommen, vor allem auch von jungen Männern, die nicht zum Bundesheer wollten. Verteidigungsminister Norbert Darabos, der die Wehrpflicht noch im Juli 2010 „in Stein gemeißelt“ gesehen hatte, und Kanzler Werner Faymann folgten der neuen roten Linie – halbherzig.

Dass die Volksbefragung Wirklichkeit wurde, lag an der ÖVP, genauer: an Landeshauptmann Erwin Pröll, der 2012 ein Plebiszit befürwortete. Und wieder war der Kampf um Stimmen der Motor dafür: Pröll hat am 3.März die Niederösterreich-Wahl zu schlagen, und wie einst Häupl in Wien fürchtet auch er um die Absolute für seine Partei.

Das Heer ist aber nicht das einzige Thema, zu dem die Koalitionsparteien im Bund einen spektakulären Kurswechsel hingelegt und sogar die Positionen getauscht haben. Erst in der Vorwoche demonstrierte Kanzler Faymann bei einer Rede über die „Zukunft Europas“ im Europaparlament in Straßburg, welch großer EU-Freund er sei: „Zu einem gemeinsamen Europa, das möchte ich gerade in Richtung Cameron (des britischen Premiers, Anm.) sagen, zu einer einheitlichen gemeinsamen Geschwindigkeit gehört auch, dass einer nicht einfach stehen bleibt und verhindert, dass andere weitergehen können“, so Faymann.

Vor knapp fünf Jahren, im Juni 2008 in einem offenen Brief in der „Krone“, hat das noch ganz anders geklungen: Da forderte der damalige Verkehrsminister gemeinsam mit dem einstigen Kanzler, Alfred Gusenbauer, Volksabstimmungen über neue EU-Verträge in Österreich – die den Integrationsprozess natürlich verlangsamen würden. Auch eine zukünftig kritischere EU-Linie der SPÖ war in dem Brief Thema, und zwar vor dem Hintergrund der großteils negativen Haltung der Bevölkerung zu „Brüssel“. Monate später war Faymann, ein Freund des damaligen „Krone“-Herausgebers Hans Dichand, Kanzler.

„Steuerzuckerln“ statt Europa?

Und die ÖVP, die selbst ernannte Europapartei? Deren Chef, Michael Spindelegger, drohte Ende des Vorjahres ein Veto gegen den neuen EU-Finanzrahmen für die Jahre von 2014 bis 2020 an – für den Fall, dass dieser (zu) großzügig ausfiele. Dass Spindeleggers Staatssekretär Reinhold Lopatka Mitte der Vorwoche erklärte, die ÖVP wolle sich wieder eindeutig als „proeuropäische Kraft“ positionieren, darf eher als Lippenbekenntnis gewertet werden. Diese Aufgabe hat, schleichend, die Kanzlerpartei übernommen, die Faymann offenbar auch mit Blick auf die Nationalratswahl in wenigen Monaten zunehmend als „staatsmännisch“ präsentieren will.

Spendierfreudiger als im Kreis der 27EU-Partner gibt sich die ÖVP gegenüber „ihrem“ Wahlvolk zu Hause: Finanzministerin Maria Fekter, früher Hardlinerin in Sachen „Steuerzuckerln“, erklärte in der „Presse“, sie könne sich steuerliche Erleichterungen für tausende Klein- und Kleinstunternehmen noch vor der Nationalratswahl vorstellen.

Damit kehrte die ÖVP zu einer jahrzehntelang erprobten Linie zurück: jener der „Steuersenkungspartei“, die sie lange war. Doch ab 2007 unter Wilhelm Molterer sowie Josef Pröll und Spindelegger drehte der Wind: Niedrigere Steuereinnahmen seien nicht (mehr) leistbar, hieß es.

Da war es die SPÖ, für die „Steuerzuckerln“ möglich und sinnvoll schienen: Beim Parteitag 2010 in Vösendorf forderte Kanzler Faymann vor allem für die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen Erleichterungen. Sein Schlagwort: Gerechtigkeit. Den Weg hatte Gusenbauer bereitet.

Nun die neuerliche Kehrtwende: Für Finanzstaatssekretär Andreas Schieder sind Steuererleichterungen – wie das Vorhaben Fekters – indiskutabel. Kommen solle hingegen eine Vermögen- bzw. Reichensteuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)


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