Wachstum ist in Griechenland das Allheilmittel gegen die Krise. Die Regierung aber vergrault Investoren und bestraft Jungunternehmer.
Athen/C.g. Für Griechenland heißt es wieder einmal kurz aufatmen: Am Freitag stimmte der deutsche Bundestag mit großer Mehrheit für jenes Maßnahmenpaket, das die Euro-Finanzminister und der Internationale Währungsfonds (IWF) Anfang der Woche geschnürt hatten. Obgleich auch andere Regierungen noch ihren Sanktus geben müssen, steht die Auszahlung der nächsten Kredittranche in Höhe von 43,7 Milliarden Euro (davon soll der Großteil noch im Dezember überwiesen werden) so gut wie fest.
Premierminister Antonis Samaras sieht ob dieser positiven Nachricht eine „finstere Periode“ für das Land zu Ende gehen, sein Finanzminister Giannis Stournaras lokalisiert eine „Wende“ Richtung Wachstum bereits im zweiten Halbjahr 2013. Das grenzte an ein Wunder, bei 7,2 Prozent Rezession im dritten Quartal 2012, der Schließung tausender Firmen in den letzten drei Jahren und der Flucht vieler anderer, vor allem großer Unternehmen, ins Ausland. Stournaras jedoch glaubt, dass ausländische Investitionen und die anstehenden großen Privatisierungen die Wende herbeiführen werden.
Große Hoffnungen setzt die Regierung auch in eine Verbreiterung der Steuerbasis durch die Bekämpfung der Schattenwirtschaft und eine Änderung der Steuergesetzgebung.
Doch gerade bei den Investitionen haben die Gesetzgeber viel getan, um genau das Gegenteil zu bewirken: Im Anfang November beschlossenen dritten Sparpaket findet sich ein Kapitel, das potenzielle Investoren davon abhalten dürfte, auch nur einen einzigen Cent in Griechenland zu investieren: Aus Geldnot wird der Staat in laufende, rechtliche gültige Verträge eingreifen – und zwar gerade in einer der wichtigsten Wachstumsbranchen, den erneuerbaren Energien, insbesondere der Fotovoltaik. Millionenschwere Investitionen vor allem aus dem Ausland wurden gerade in diesem Bereich getätigt, milliardenschwere vorbereitet und vom griechischen Staat aktiv gefördert, der das „grüne Wachstum“ als modernes, nachhaltiges Entwicklungsmodell pries.
Die sehr günstigen, geförderten Einspeistarife wurden von staatlicher Seite für 20 Jahre garantiert. Nun aber belegte die Regierung die Fotovoltaik-Firmen mit einer Sondersteuer zwischen 25 und 30 Prozent des Umsatzes; andere Formen erneuerbarer Energie, wie Windparks, kleine Wasserkraftwerke oder Biomasse-Anlagen mit zehn Prozent Sondersteuer. Das ist ein klarer Rechtsbruch, die Interessenverbände der Investoren haben bereits rechtliche Schritte gegen die Republik Griechenland eingeleitet.
Komplexe Buchhaltungsvorschriften
Ein weiterer „Schocker“ für Investoren sind die komplexen, zweideutigen und oft widersprüchlichen Buchhaltungsvorschriften, die in dieser Form in den meisten modernen Demokratien gar nicht existieren. Sie sollten, so die Vereinbarung mit der Gläubiger-Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB), abgeschafft werden.
Doch der regulierungswütige griechische Gesetzgeber hat das nicht zustande gebracht: Der sogenannte „Bücher- und Rechnungslegungskodex“ wird lediglich umbenannt und zum Großteil wieder übernommen. Womit der willkürlichen Verhängung von Strafzahlungen weiter Tür und Tor geöffnet bleibt: Denn es ist beinahe unmöglich, allen Anforderungen des Kodex und der ergänzenden Einkommensteuergesetzgebung nachzukommen.
In der neuen, im Entwurf vorliegenden Steuergesetzgebung wird darüber hinaus auch kleinen oder neuen Freiberuflern jegliche Lust am Steuerzahlen ausgetrieben: Die Steuerfreigrenze wird aufgehoben, eine hohe Steuer von 26 Prozent ab dem ersten Euro eingezogen. Saturierte Rechtsanwälte und Ärzte, besonders anfällig für Steuerhinterziehung, trifft das wenig, doch kleinen oder am Anfang ihrer Laufbahn stehenden Selbstständigen wird die Existenzgrundlage entzogen. Sie werden ihre Gewerbeberechtigungen entweder zurücklegen oder erst gar nicht beantragen – und dem Gewerbe schwarz nachgehen. Mit dieser „Strafsteuer“ für junge und kleine Selbstständige wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was der Gesetzgeber erhofft: eine verbreiterte Steuerbasis.
Auf einen Blick
Die Troika aus EU, IWF und EZB hat ein neues Maßnahmenpaket für Griechenland beschlossen, das unter anderem längere Laufzeiten und geringere Zinsen für Kredite sowie einen Verzicht der EZB auf Gewinne aus griechischen Staatsanleihen vorsieht. Die nächste Tranche über 34,4 Mrd. Euro kann voraussichtlich noch im Dezember fließen. Durch kontraproduktive Steuerpolitik aber macht es sich der Staat selbst schwer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)