Mit einem harten Sanierungsprogramm bereitet die lettische Regierung den Eurobeitritt 2014 vor. Die Bevölkerung ist mehrheitlich dagegen.
Riga. Die Geldfälscher sind schon bereit. Die lettische Polizei hat kürzlich eine Falschmünzenherstellung ausgehoben und rund 4000 Eurostücke beschlagnahmt, die die Gauner Anfang nächsten Jahres unters Volk bringen wollten, wenn dieses mit der neuen Währung noch nicht so vertraut ist. Auch die Regierung in Riga hat ihre Vorarbeiten erledigt. Wenn sie Ende dieses Monats die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank offiziell um die Prüfung ihrer Euroreife bittet, ist Premier Valdis Dombrovskis von einer positiven Antwort überzeugt. „Seit September 2012 erfüllen wir alle Kriterien“, sagt der 41-jährige Konservative. Zum 1.1.2014 will Lettland als 18. Mitglied dem Euroklub beitreten.
Für Dombrovskis wäre dies die Krönung nach fünf Jahren harter Sanierungspolitik, die in der Bevölkerung zwar verhasst ist, von internationalen Kreditgebern aber als vorbildlich gelobt wird. 2009 stürzte Lettland in die schlimmste Wirtschaftskrise seit Wiedergewinnung der Unabhängigkeit, das Sozialprodukt schrumpfte um 20 Prozent, nur Hilfskredite der EU und des Internationalen Währungsfonds retteten das Land vor dem Staatsbankrott. „Lettland ging den härtesten Austerity-Kurs im EU-Raum, dafür haben wir jetzt das höchste Wachstum“, rühmt sich der Premier. Die öffentlichen Ausgaben wurden drastisch beschnitten, die Steuern erhöht, „ich kann mich an keine Steuer erinnern, die nicht angehoben wurde“, sagt Dombrovskis.
Der Lohn: „Europas schnellstes Wachstum bei sehr geringem Preiszuwachs“, sagt Finanzminister Andris Vilks. 2012 betrug das Wirtschaftsplus rund 5,1 Prozent, für 2013 erwartet die Regierung 4,0 Prozent Zuwachs. Das Haushaltsdefizit liegt mit 1,5 Prozent des BIPs ebenso klar im Rahmen des Erlaubten wie die Staatsverschuldung mit 42 Prozent und die Inflationsrate mit 2,0 Prozent. Lettische Staatsanleihen, die vor vier Jahren unverkäuflich waren, finden nun Abnehmer für relativ niedrige Zinsen. Nach den Maßstäben der Maastricht-Kriterien ist Lettland ein europäischer Musterknabe.
Forderung nach Referendum
Iveta Grigule will dies noch verhindern. Die Grünen-Parlamentarierin hat eine Unterschriftensammlung initiiert, um ein Referendum über den Beitritt zu erzwingen. Im Parlament, wo sie überzeugt war, die nötige Unterstützung von einem Drittel der Abgeordneten zu finden, scheiterte sie zwar, als die euroskeptische, von der russischen Minderheit getragene Harmonie-Fraktion ihr die Gefolgschaft verweigerte. Doch jetzt sammelt sie 30.000 Unterschriften von Wahlberechtigten, mit denen sie Präsident Andris Berzins um Einleitung einer Volksbefragung bitten will.
Die Chancen auf ein Nein stünden nicht schlecht: In der Bevölkerung ist der Euro ebenso unpopulär wie die Sparpolitik der Regierung. So eindeutig sich die politisch-wirtschaftliche Elite zum Euro bekennt, so gering ist der Enthusiasmus in der Wählerschaft. Nur 33 Prozent sind laut Umfragen für den Euro, 63 Prozent wollen den Lat behalten, der für die Letten als Symbol für den Aufschwung nach dem Ausstieg aus der Rubel-Zone steht. Doch ob ein Referendum rechtens wäre, bezweifeln die Verfassungsexperten: Lettland habe sich schon mit dem EU-Beitritt 2004 zum Mitmachen in der Währungsunion verpflichtet. „Fünf der Länder, die damals mit uns gingen, haben seither den Euro eingeführt. Keines hat eine Volksabstimmung abgehalten. Warum sollten dann wir dies tun?“, fragt Dombrovskis.
Für den Regierungschef liegen die Vorteile des Euro auf der Hand: 60 Prozent der Exporte gehen in den Euroraum, 80 Prozent aller Kredite werden schon jetzt in Euro verrechnet, alle Immobilien in Euro gehandelt. „Die 855 Millionen an jährlichen Wechselgebühren könnten wir auch nützlicher verwenden.“ Die Eurogegner halten den Beitritt für verfrüht. „Die Eurozone ist für die Aufnahme ärmerer Länder nicht vorbereitet“, sagt der Harmonie-Parlamentarier Igors Pimenovs und weist auf die Probleme der Südeuropäer hin. Doch dass Lettland mit dem Euroantrag ein „Ticket für die Titanic“ löse, verweist Dombrovskis in den Bereich der „Mythenbildung“: EZB-Chef Draghi habe bereits dafür gesorgt, dass die Eurozone wieder stabil wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2013)