Mazedonien: „Athen missbraucht europäische Solidarität“

Mazedoniens Aussenminister
Mazedoniens Aussenminister (c) REUTERS (LEHTIKUVA)
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Nikola Poposki wirft der griechischen Regierung vor, nicht ernsthaft an einer Lösung des Streits um den Staatsnamen von Mazedonien interessiert zu sein.

Die Presse: Ihr schwedischer Kollege Carl Bildt hat vorige Woche erklärt, er erwarte den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit allen Ländern des Westbalkans für 2014. Ist das frühlingshafter Optimismus, oder teilen Sie diese Ansicht?

Nikola Poposki: Was Mazedonien anbelangt, lässt sich der Zeitpunkt nicht vorhersagen. Alles hängt von der Bereitschaft Griechenlands ab, den Beginn der Beitrittsverhandlungen zu unterstützen. Es wäre wünschenswert, wenn alle Länder in der Region so weit wären, aber die Ausgangspositionen sind zu unterschiedlich. Dass alle Verhandlungen zeitgleich beginnen, ist schwierig. Wir wollen jedenfalls mit den Verhandlungen möglichst rasch beginnen und nicht zuwarten.

Sie haben den griechischen Widerstand gegen die Staatsbezeichnung Mazedonien angesprochen. Darüber wird seit bald zwei Jahrzehnten verhandelt. Lässt sich dieses Problem auf diplomatischem Weg überhaupt lösen?

Die griechische Obstruktionspolitik und auch das Veto gegen den Nato-Beitritt Mazedoniens 2008 wurden vom internationalen Gerichtshof als illegal eingestuft. Athens Vorgangsweise hat das Vertrauen erschüttert. Mazedonien strebt nach wie vor nach einer politischen Lösung im Namensstreit. Auf der griechischen Seite ist die Lage nicht klar, nicht zuletzt, weil die gegenwärtige Wirtschaftskrise die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger ablenkt. Auf der anderen Seite scheint sich in Athen die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass die beste Lösung die Beibehaltung des Status quo ist.

Also wollen die Griechen die Sache aussitzen?

Ich kann jedenfalls keine Verhandlungsbereitschaft erkennen. Griechenland hat den Komfort, sich als EU-Mitglied auf die europäische Solidarität berufen zu können, um die Verhandlungen mit Mazedonien zu blockieren.

Macht die griechische Schuldenkrise die Angelegenheit komplizierter? Sie sagten ja, in Athen sei man momentan abgelenkt.

Zunächst einmal muss klar sein, dass die griechischen Probleme nicht in unserem Interesse liegen. Griechenland ist einer unserer wichtigsten Handelspartner und Investoren, Mazedonien leidet also mit. Was die politische Perspektive anbelangt: Athen konnte noch nie so leicht wie jetzt Mazedoniens Beitritte zur EU und Nato blockieren. Warum? Europa ist derzeit mit der Schuldenkrise und der Rettung der Eurozone beschäftigt.

Ihr Problem ist also, dass nicht nur Griechenland, sondern überhaupt ganz Europa mit den Gedanken woanders ist.

Athen hat es in der Hand, es müsste sich nur an die Vereinbarungen halten, um den Stillstand zu überwinden. Aber Griechenland missbraucht die europäische Solidarität. Es beruft sich ständig darauf, um auf Mazedonien Druck auszuüben. In den anderen EU-Hauptstädten ist man sich der Tatsache bewusst, dass dieses Vorgehen nicht im Interesse Europas liegt. Aber es gibt nun einmal wenig Handhabe gegen ein Mitglied, das auf stur schaltet.

Zynisch formuliert müssten Sie sich also wünschen, dass Griechenland aus der Eurozone fliegt, weil es in Folge aus der EU austreten müsste und dann der Weg für Mazedonien frei wäre.

(lacht) Ich glaube, damit wäre in Wirklichkeit niemandem geholfen. Vor allem nicht der EU. Es geht ganz einfach darum, getroffene Vereinbarungen zu respektieren und sich konstruktiv zu verhalten. Griechenland missbraucht seine Machtposition. Ich darf in dem Zusammenhang daran erinnern, dass der Beitrittsprozess Griechenlands gegen die Einwände der Kommission eingeleitet wurde.

Sie haben die anderen EU-Mitglieder erwähnt. De facto herrscht in weiten Teilen der Union Erweiterungsmüdigkeit. Könnte es nicht auch sein, dass Griechenland nicht das einzige Hindernis ist, sondern ein willkommener Vorwand, die Erweiterung auf die lange Bank zu schieben?

Ich glaube nicht, denn in unserem Fall geht es jetzt nicht um den Beitritt, sondern lediglich um den Beginn der Beitrittsverhandlungen. Und diese dauern üblicherweise lange und sind kompliziert. Und das letzte Wort haben dann immer noch die EU-Mitglieder.

Aus politisch-organisatorischer Perspektive könnte es aber mehr Sinn ergeben, wenn alle Westbalkanstaaten zeitgleich der EU beitreten, wie es der schwedische Außenminister Bildt gemeint hat. Auch bei der Osterweiterung 2004 hat man zugewartet, bis alle Kandidaten so weit waren.

Man könnte darüber streiten. Nichtsdestoweniger hat sich die EU darauf geeinigt, dass die Länder einzeln und anhand von objektiven Kriterien evaluiert werden sollen. Die Erfahrung mit Griechenlands Beitritt zur Eurozone ist in dieser Hinsicht lehrreich: Es kam dazu aufgrund einer Abfolge von politisch motivierten Entschlüssen, obwohl die Aufnahmebedingungen keineswegs erfüllt waren. Und jetzt müssen die anderen Mitglieder der Eurozone die Rechnung begleichen.

Zur Person

Nikola Poposki (*1977) ist seit 2011 Außenminister Mazedoniens. Davor war der Ökonom unter anderem Botschafter seines Landes bei der EU in Brüssel, Diplomat in Frankreich und bei der Depfa-Bank in Irland. Das Gespräch mit der „Presse“ fand am Rande einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Diskussionsveranstaltung statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2013)

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