EU-Russland-Gipfel: Partner auf maximaler Distanz

In welche Richtung soll es gehen? EU und Moskau haben unterschiedliche Vorstellungen.
In welche Richtung soll es gehen? EU und Moskau haben unterschiedliche Vorstellungen.(c) EPA (ALEXEY NIKOLSKY / RIA NOVOSTI /)
  • Drucken

Moskau ärgert Brüssel mit einer Verordnung zur Weitergabe von relevanten EU-Flugpassagierdaten. Auch der syrischen Bürgerkrieg ist ein Streitthema zwischen EU und Russland. Die Beziehung ist abgekühlt.

Jekaterinburg/Brüssel] Weiter östlich hätte man das Gipfeltreffen zwischen der EU und Russland nicht ansetzen können. Ein paar Kilometer hinter Jekaterinburg nämlich beginnt schon der Ural – und der ist auch geografisch das Ende Europas, wie Wasili Tatischtschew schon vor etwa 300 Jahren postulierte. Die Auswahl der Uralstadt als Schauplatz des Gipfels, den Kremlchef Wladimir Putin und die EU-Spitzen – Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie Ratspräsident Herman van Rompuy – gestern eröffnet haben, macht die Distanz Moskaus zur EU deutlich. Schwierig war die Partnerschaft trotz intensiver Handelsverflechtungen von Anfang an, so abgekühlt wie jetzt allerdings nie. Wie zum Beweis dafür hat Russlands Führung knapp vor Gipfelbeginn einen neuen Zankapfel gezückt.

Moskau will den Zugriff auf alle relevanten EU-Flugpassagierdaten erhalten, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Dies gilt auch für jene Flüge, die den russischen Luftraum lediglich überfliegen, was angesichts der Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der Flugrouten von Europa nach Ostasien über Sibirien führt, eine substanzielle Datenmenge wäre. Die entsprechende Verordnung, die die europäischen Airlines unter Androhung des Flugverbots zur Datenübermittlung verpflichtet, soll am 1. Juli in Kraft treten.

In Brüssel war am Montag die Verärgerung spürbar. „Wir bedauern, dass die russischen Behörden die EU-Kommission nicht über ihre Absicht informiert haben“, sagte der Sprecher von Innenkommissarin Cecilia Malmström. Nach EU-Recht dürfen Fluggesellschaften die Informationen nicht preisgeben, so lange kein bilaterales Datenschutzabkommen in Kraft ist. Die EU fordert nun ein Moratorium auf die Verordnung. Andernfalls würde sich das „ernsthaft auf unsere Bedingungen zur Reiseerleichterung auswirken“, drohte EU-Außenkommissarin Catherine Ashton.

Gipfelthema an den Rand gedrängt

Die angesprochenen Visaerleichterungen sind ein höchst empfindlicher Punkt bei den Russen. Ursprünglich hatte man angenommen, dass heute, Dienstag, ein Abkommen über weitere Visaerleichterungen unterzeichnet wird. Die Verhandlungen waren zu 95 Prozent abgeschlossen.
In jedem Fall hat die Causa Flugdaten das eigentliche Thema des Gipfels an den Rand gedrängt: die Energiepolitik und das Gebaren des Gasmonopolisten Gazprom. Energiekommissar Günther Oettinger stößt sich daran, dass der Staatskonzern bei Gasverkäufen an die ehemaligen Satelliten der UdSSR teils höhere Preise ansetzt als für die weiter entfernten Deutschen. Gazprom wiederum wähnt, dass Europa ein Kartellverfahren gegen den Konzern nur inszeniert hat, um die Preise zu drücken.

Reibepunkt ist und bleibt das dritte Energiepaket der EU, das die juristische Trennung zwischen Gasproduzenten und -distributoren vorsieht – was Gazproms Machtposition erschüttert. Laut Putins Sprecher Dmitri Peskow werden aber bereits Varianten durchgespielt, um das Energiepaket doch zu erfüllen.

Wirklich näher wird man sich jedoch auch dadurch nicht kommen. Ein Expertentrio des Moskauer Carnegie-Instituts nennt seine aktuelle Analyse „Das Ende einer Ära in den EU-Russland-Beziehungen“: Russland sehe Europa und sein Wertesystem nicht mehr als Modell für sich; anstelle einer Annäherung komme jetzt eine Ära der internen Unsicherheiten, die isolationistische Tendenzen fördere. Die Neuaustarierung der Außenpolitik richte den Fokus auf die eurasischen Nachbarn und China, so die Autoren. Wie die EU reagieren könne? Nicht Russland verändern wollen, sondern das Verhältnis auf den eigenen Interessen aufbauen. Jegliche Verflechtung intensivieren und die Visumspflicht für die Russen abschaffen, um damit den Isolationismus des Kremls zu unterminieren.

Doch auch der syrischen Bürgerkrieg ist ein Streitthema zwischen EU und Russland: Während Moskau das ausgelaufene EU-Waffenembargo gleichsam als Freifahrtschein zur Aufrüstung der verbündeten Machthaber in Damaskus wertete, warnt die deutsche Regierung vor einer Torpedierung der geplanten Syrien-Friedenskonferenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Der Terror kommt nicht mit der AUA

Russlands Griff nach den Daten der EU-Flugpassagiere hat nichts mit der nationalen Sicherheit zu tun.
Bericht Russland will Fluggastdaten
Europa

Russland will Fluggastdaten aus EU-Ländern

Moskau fordert sämtliche Daten von Passagieren, die Russland bereisen oder durchqueren. Die Kommission ist verärgert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.