Der Chef des griechischen Linksbündnisses, Alexis Tsipras, ist auf Wien-Besuch.
Wien. „Die USA sind den besseren Weg gegangen.“ Der Chef des griechischen Linksbündnisses, Alexis Tsipras, hat im Gespräch mit der „Presse“ die Geldpolitik der US-Notenbank als Vorbild für Europa bezeichnet. Während die Führung der EU auf Austerität gesetzt habe, sei die Fed den richtigen Weg gegangen und habe den Markt mit Geld geflutet. Dies habe die Wirtschaft wieder in Gang gebracht.
Am Rand eines Treffens mit der KPÖ-Führung in Wien berichtete Tsipras am Freitag von seinem jüngsten Gespräch mit Vertretern der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Er war auch mit dem deutschen Mitglied im EZB-Direktorium, Jörg Asmussen, zusammengetroffen. „Ich glaube, er hat erkannt, dass die Sparpolitik an ihre Grenzen geraten ist“, so Tsipras. Griechenland stehe heute schlechter da als zum Ausbruch der Krise. „Zu Beginn lag die Gesamtverschuldung unseres Landes bei 110 Prozent des BIPs, heute bei fast 170 Prozent.“ 1,5 Millionen seien arbeitslos. 60 Prozent der Jugend habe keinen Job. „Trotzdem besteht die EU-Führung darauf, dass wir mit diesem Sparprogramm fortfahren.“
Der Syriza-Vorsitzende, der mit seinem Bündnis bei den letzten Wahlen 26,9 Prozent der Stimmen erreicht hatte und als zweitstärkste Fraktion in das griechische Parlament eingezogen war, zeigte sich in Wien überzeugt, dass es aufgrund der Sparpolitik zu einem politischen Umbruch in Europa kommen werde. „Die europäische Öffentlichkeit wird erkennen, dass wir die Hoffnung für eine andere EU sind.“ Wie diese alternative Union aber aussehen werde, ließ der griechische Politiker offen.
Als größte Gefahr für die EU bezeichnete Tsipras nicht das in seinem Land so verhasste Deutschland, auch nicht einen neuerlichen Wahlerfolg der Konservativen, sondern eine Stärkung des Rechtsradikalismus. Dessen Durchbruch habe sich in seinem Land bereits angekündigt. „Die Schlange ist aus ihrem Ei geschlüpft und bedroht uns alle“, sagte der 39-jährige Linkspolitiker in Abwandlung einer griechischen Redewendung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2013)