Europäischer Rat: Suche nach besserem Frühwarnsystem

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Symbolbild(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Das Treffen am Donnerstag steht unter dem Motto „Digitale Agenda“, tatsächlich wird es aber um Banken und Wirtschaft gehen – und um Merkels Wunsch nach mehr Kontrolle durch Brüssel.

Brüssel. Dass die Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs ein Leitmotiv haben, sich aber auch mit anderen Themen befassen, gehört zum Modus operandi der EU. Bei dem am Donnerstagabend in Brüssel beginnenden Europäischen Rat wird die thematische Wühlkiste aber noch größer sein als sonst: Neben der „Digitalen Agenda“, die im Mittelpunkt des zweitägigen Treffens steht – bzw. stehen sollte – werden sich die europäischen Entscheidungsträger mit der Bankenunion, der vertieften wirtschaftspolitischen Koordination innerhalb der EU, der Flüchtlingskrise im Mittelmeerraum sowie der Ostpartnerschaft im Allgemeinen und dem angepeilten Assoziierungsabkommen mit der Ukraine im Besonderen beschäftigen.

Zypern als Negativbeispiel

Dass das Frühwarnsystem der Union im Vorfeld der Eurokrise versagt hat, ist mittlerweile unbestritten – eine Konsequenz aus dem Debakel ist das sogenannte „Europäische Semester“ in dessen Rahmen die EU-Mitglieder ihre Budgets zur Begutachtung in Brüssel vorlegen müssen – die EU-Kommission führt diese Übung heuer zum ersten Mal durch, ihr Gutachten soll bis Ende November vorliegen. Wie es aus deutschen Regierungskreisen am Mittwoch hieß, gehe es vor allem darum, aus der Causa Zypern Lehren zu ziehen – nur wenige Wochen, nachdem der Mittelmeerinsel im Sommer 2012 makroökonomische Balance attestiert wurde, musste sie bei der europäischen Krisenfeuerwehr ESM um Hilfe ansuchen. Im Entwurf der Schlussfolgerungen des Gipfeltreffens ist daher von einer stärkeren Koordinierung der Wirtschaftspolitiken die Rede – auch mittels „vertraglicher Vereinbarungen“ und „Solidaritätsmechanismen“.

Konkrete Beschlüsse sind zwar nicht zu erwarten, die Überlegungen dürften erstens auf konkretere makroökonomische Indikatoren zur Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitglieder und zweitens auf eine (von Deutschland favorisierte) Stärkung der Kontrolle durch die EU-Kommission hinauslaufen. Zugleich wünscht sich Berlin aber, dass sich die Brüsseler Behörde „auf das Wesentliche“ konzentriert und auf legislative Blindgänger wie das kurzzeitig erörterte Verbot von Ölkännchen in Restaurants verzichtet – die Losung dazu lautet „kluge Selbstbeschränkung“.

Auch die für Donnerstagabend avisierte Diskussion über den Stand der Dinge bei der Bankenunion dürfte keine Antwort auf die brennende Frage bringen, wer über die Abwicklung einer Bank entscheidet und die anfallenden Kosten schultert – eine Vorentscheidung dürfte es frühestens beim Treffen der Finanzminister im November geben. Die Grundpfeiler der Bankenunion sollen noch während der laufenden Mandatsperiode des Europaparlaments – also spätestens bis April 2014 – aufgestellt werden.

Und was ist mit dem eigentlichen Motto des Gipfeltreffens? In Berlin wurde die „Digitale Agenda“ gestern als „Nachmittagsthema“ abgetan – mehr als wolkige Bekundungen über die überragende Bedeutung von Internet und Telekom für Wirtschaft und Wachstum dürfte es also nicht geben.

Auf einen Blick

Die deutsche Regierung wünscht sich eine stärkere Überwachung der makroökonomischen Entwicklung in den EU-Mitgliedsländern durch die EU-Kommission – die konkreten Bereiche werden Gegenstand der Debatte der Staats- und Regierungschefs sein. Im Gegenzug soll die Brüsseler Behörde auf unverhältnismäßige Regulierungen à la Ölkännchenverbot für die Gastronomie verzichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2013)

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