Nein zu Merkels Reformvertrag

Wettbewerbspakt. Die Kanzlerin stößt mit ihrer Idee zu verbindlichen Reformverpflichtungen beim EU-Gipfel in Brüssel auf Widerstand.

Brüssel. In der Dramaturgie jeder Gipfelnacht ist es seit Jahren ein ungeschriebenes Gesetz: Ein Kompromiss kommt umso eher zustande, je mehr auch Angela Merkel dazu willens ist – und umgekehrt. Diesmal aber hat sich die deutsche Kanzlerin an ihren Amtskollegen die Zähne ausgebissen. Ihr Vorschlag, nationale „Reformverträge“ zwischen Mitgliedstaaten, Kommission und Rat rechtsverbindlich zu machen, ist bei den übrigen Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf große Skepsis gestoßen. Deswegen wird das Thema bis zum Sommergipfel im Juni 2014 noch einmal auf die lange Bank geschoben.

Der konkrete Plan der deutschen Kanzlerin sieht vor, dass die bereits bestehenden Instrumente zur Haushaltsüberwachung im Rahmen des europäischen Semesters mit weiteren Verpflichtungen ergänzt werden. Die Mitgliedstaaten sollen selbst gestaltete, diesmal aber verbindliche Verpflichtungen zu Reformen eingehen – sei es am Arbeitsmarkt, sei es in der Sozialpolitik oder der Verwaltung. Eine Partnerschaft für „Wachstum, Jobs und Wettbewerbsfähigkeit“, wie es Merkel bei ihrer Regierungserklärung im deutschen Bundestag freundlich formulierte. Die Kommission wäre für die Überwachung der Umsetzung dieser Verpflichtungen verantwortlich, wobei gemeinsam festgelegte Fristen einzuhalten wären. Grundsätzlich geht es Merkel darum, die Mitgliedstaaten schon in einem frühen Stadium zu rechtsverbindlichen Reformen zu drängen und wirtschaftspolitisch gegenzusteuern, wenn sich ein Staat in einer Schieflage befindet.

Geld aus Finanztransaktionssteuer?

Besonders südeuropäische Krisenländer wollen sich darauf aber ohne Gegenleistung keineswegs einlassen, weshalb Berlin finanzielle Anreize ins Spiel bringt. Als Belohnung für erfolgreiche Reformen könne etwa Geld aus der Finanztransaktionssteuer verwendet werden, hieß es. Bisher aber ist nicht einmal klar, wann und ob dieses Instrument überhaupt in Kraft treten kann.

Schon vor Gipfelbeginn übte der Chef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, massive Kritik an Merkels Idee. Die Mitgliedstaaten würden durch Umgehung der EU-Gemeinschaftsmethode ihrer Souveränität beraubt. Dies sei „Intergouvernementalismus durch die Hintertür“. (aga)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2013)

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