SPÖ: ORF-Gesicht soll Europawahl retten

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Eugen Freund wird SPÖ-Spitzenkandidat der Europawahl. "ZiB"-Moderatoren sind mittlerweile die beliebtesten Quereinsteiger der Parteien, obwohl die Erfahrungen nicht immer positiv waren.

Wien. Die SPÖ setzt bei den Europawahlen erneut auf einen Quereinsteiger. Der Journalist und ehemalige ORF-„ZiB1“-Moderator Eugen Freund soll ihr Spitzenkandidat werden, das meldete am Montagnachmittag der „Kurier“. Aus der SPÖ kam kurz später die Bestätigung. Freund soll den Abwärtstrend der Sozialdemokraten bei Europawahlen umkehren, hieß es. Bei den letzten EU-Wahlen 2009 kam die SPÖ nur noch auf 23,7 Prozent der Stimmen, um 9,6 Prozentpunkte weniger als 2004. Sie rutschte hinter die ÖVP auf Platz zwei. Freund wird am Donnerstag vom Parteivorstand offiziell nominiert werden. Dabei wird auch die restliche Liste erstellt.

Freund, der am Montag – gleichzeitig mit dem Bekanntwerden der Kandidatur – seinen Abschied beim ORF feierte, erklärte in seiner Rede vor den überraschten Kollegen, er freue sich auf seine „neue Aufgabe“. Er hatte auf Drängen der ORF-Führung seinen Abschied als Redakteur wenige Jahre vor der Pensionierung akzeptiert, zeigte sich aber später über die Eile seiner Vorgesetzten, ihn loszuwerden, doch irritiert.

Der 62-Jährige hatte bereits in seiner Vergangenheit Verbindungen zur SPÖ. 1978 und 1979 war er Pressesprecher des sozialdemokratischen Außenministers, Willibald Pahr. Später arbeitete er unter Peter Marboe im österreichischen Presse- und Informationsdienst in New York. Er sollte dabei das Image Österreichs in den USA verbessern. Das war noch vor der Waldheim-Affäre. Seit 1986 ist er beim ORF-Fernsehen. Der ehemalige US-Korrespondent wurde 2011 Moderator der „Zeit im Bild“. Der Abschied des Anchorman mit der kultiviert-brüchigen Stimme wurde von vielen Zusehern bedauert.

Wie es gegenüber der „Presse“ aus SPÖ-Kreisen hieß, soll Freund neue Wähler mobilisieren. Er verfüge über einen Bekanntheitsgrad, den kein anderer der Bewerber vorweisen konnte. Noch im Dezember schien alles auf eine Kandidatur des erfahrenen steirischen Europaabgeordneten Jörg Leichtfried hinauszulaufen. Der Überraschungscoup wurde dann in den vergangenen eineinhalb Wochen vom SPÖ-Vorsitzenden Werner Faymann und seinem engsten Team vorbereitet. Leichtfried wird nun voraussichtlich nicht einmal auf Platz zwei kandidieren können, sondern hinter seiner langjährigen Kollegin aus Wien, Evelyn Regner. Der Wille der steirischen SPÖ-Führung, die sich bereits im Rahmen der Koalitionsverhandlungen gegen Bundeskanzler Faymann aufgelehnt hatte, wurde nicht berücksichtigt.

Offiziell heißt es, die SPÖ hat sich darauf festgelegt, Männer und Frauen auf der Liste abzuwechseln. Im Gespräch mit der „Presse“ zeigt sich Leichtfried allerdings von der Entscheidung nicht überrascht. „Ich war von Beginn an eingebunden. Ich denke, wir werden ein gutes Team bilden.“ Ungeklärt ist, ob Freund von Leichtfried auch den Posten des Delegationsleiters der SPÖ-Europaabgeordneten übernimmt. Leichtfried hat seit der Bestellung von Hannes Swoboda zum Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten diesen Posten inne.

SP-Chef Werner Faymann sagte am Montagabend in einer TV-Diskussion auf Puls4, Freund sei "ein hervorragender Kandidat mit internationaler Erfahrung und hoher Glaubwürdigkeit." Die Entscheidung über die Liste für die EU-Wahl werde aber erst am Donnerstag fallen.

Erinnerungen an Martin und Broukal

Die Auswahl gilt als riskant, denn bisher hat die SPÖ keine besonders guten Erfahrungen mit Quereinsteigern aus dem Journalismus gemacht. 1999 wurde überraschend der Journalist und Buchautor Hans-Peter Martin als Frontmann für die Europawahl nominiert. Der ehemalige „Spiegel“-Redakteur, der dem langjährigen erfahrenen EU-Politiker Hannes Swoboda vorgesetzt wurde, sorgte schon im Wahlkampf für parteiinterne Kontroversen. Mit den anderen SPÖ-Europaabgeordneten fand er keine Gesprächsbasis. Streit und Machtspiele führten letztlich zum Bruch.

Bei der nächsten Europawahl 2004 kandidierte Martin mit einer eigenen Liste und trug dazu bei, dass die SPÖ deutlich an Stimmen eingebüßt hat. 2009 erreichte er drei Abgeordnetensitze. Einer von Freunds Vorgängern als „ZiB“-Moderator und Quereinsteiger bei der SPÖ, Josef Broukal, hatte zwar auch Probleme, in inhaltlichen Fragen seine Heimat in der Partei zu finden, blieb der SPÖ bis zu seinem Ausscheiden aus dem Nationalrat 2008 aber treu.

Auch die Volkspartei hatte bei den Europawahlen 1999 schon einmal auf eine „Zeit im Bild“-Moderatorin gesetzt. Ursula Stenzel kandidierte 1999 als Spitzenkandidatin für das Europaparlament. Sie wechselte nach Kontroversen mit anderen ÖVP-Europaabgeordneten 2005 zurück nach Wien, wo sie nach erfolgreicher Wahl Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2014)

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