EU-Wahl. Der SPÖ-Spitzenkandidat Eugen Freund hat sich in einem Interview beim Durchschnittsverdienst eines Arbeiters ordentlich vertan.
Für Aufregung hat am Sonntag eine Aussage des SPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Eugen Freund, zum Thema Arbeiter-Einkommen gesorgt. Freund hatte im "profil" den Durchschnittsverdienst von Arbeitern auf etwa 3000 Euro geschätzt, was für Verwunderung gesorgt hatte. Auf die Frage "Wie viel verdient ein Arbeiter im Durchschnitt?" meinte Freund: "Ich weiß es nicht - ungefähr 3000 Euro brutto?" Tatsächlich liege es bei 1000 Euro weniger, korrigierte ihn die Interviewerin. Netto liegt das Einkommen laut Statistik Austria bei 1616 Euro pro Monat.
Auf seine Fehleinschätzung angesprochen meinte der ehemalige ORF-Moderator: "Das ist sehr wenig. Aber ich glaube nicht, dass ich etwas dafür kann."
Eugen Freund wird die SPÖ in die Europa-Wahl führen. Mit der Verpflichtung des langjährigen ORF-Mitarbeiters ist Parteichef Werner Faymann durchaus ein Coup geglückt. Denn Freund hatte zuletzt als Moderator der "ZiB1" ein Millionen-Publikum und ist als außenpolitischer Journalist in den Wohnzimmern der Österreich seit Jahrzehnten präsent.
Der erste Ausflug in die Politik ist es für den gebürtigen Wiener, der in Kärnten aufwuchs, aber nicht. Schon in den 70er-Jahren war Freund Pressesprecher für Außenminister Willibald Pahr, der zwar parteilos, aber von der SPÖ nominiert war. Ein Jahr später ging er nach New York, um dort fünf Jahre den Presse- und Informationsdienst der Republik Österreich mit zu betreuen. Die ORF-Karriere begann erst danach. Freund, der in jungen Jahren Artikel für "Kärntner Tageszeitung" und "profil" verfasst hatte, übte sich rasch am Bildschirm ein. Bereits in den 80er-Jahren war er als ZiB2-Moderator tätig, später unter anderem Beitragsgestalter beim Auslandsreport, in den 90er-Jahren dann Korrespondent in Washington. Daneben arbeitete er für den "CNN World Report" und publizierte unter anderem in"Die Zeit" und "Weltwoche".(Bild: Freund bei "Wir sind Kaiser", ORF) APA/ORF
Als es schon ruhig um den gern auch streitbaren Freund zu werden schien und er sich mit kleineren Rollen in Radio und Fernsehen (unter anderem als Moderator von "Wien Heute") zufriedengeben musste, gelang 2011 ein überraschendes Comeback in der Prime Time. Freund wurde zum ZiB-Moderator, zunächst an der Seite von Hannelore Veit, später neben Nadja Bernhard. APA/ORF
Der Pensionierung entging Freund trotzdem nicht, auch wenn er noch so dagegen anredete. Zwei Monate Gnadenfrist gewährte ihm Generaldirektor Alexander Wrabetz diesen Herbst noch. Doch zum Jahreswechsel war der rührselige Abschied für den Anchor perfekt. Ironischerweise platzte die Vorab-Meldung des "Kurier" über Freunds Wechsel in die Politik Montagnachmittag just in die Verabschiedungsfeier für Freund und andere pensionierte Mitarbeiter des ORF. APA
Dass die SPÖ den 62-Jährigen nun in die Spitzenpolitik zieht, überrascht nur auf den ersten Blick. Denn erstens gilt Freund nicht als uneitel und zweitens hat es gerade bei EU-Wahlen schon eine gewisse Tradition, dass politische Parteien auf Quereinsteiger setzen. Das erfolgreichste Beispiel ist Ursula Stenzel, wie Freund ehemals ZiB-Anchor, und nach ihrer ORF-Karriere Spitzenkandidatin der ÖVP bei der EU-Wahl 1996, bei der die Volkspartei vor der SPÖ Platz eins erobern konnte.
Zu tun hätte Freund wohl auch genug, wenn er sich die EU-Kandidatur nicht angetan hätte. Zuletzt hatte der verheiratete Vater von zwei Kindern einen fiktiven Roman über Jörg Haiders Tod ("Der Tod des Landeshauptmanns") verfasst. Buchautor ist er ohnehin schon seit langem, mit Schwerpunkt USA, was Titel wie "Mein Amerika" oder "Präsident Obama - der lange Weg ins Weisse Haus" belegen. Gern schaut Eugen Freund auch gen Himmel. Ihm gehört die Sternwarte in St. Kanzian, die sein Großvater vor 50 Jahren errichtet hatte. (c) Presse Digital
Politik statt Pension
Reimon vermisst "inhaltliche Position"
Der Grüne Listenzweite für die EU-Wahl, Michel Reimon, kritisierte die Antwort als zu schwach und vermisste in einer Aussendung auch sonst konkrete Ansagen des Neo-Politikers. "Eugen Freund redet seit einer Woche über sich, seinen Job, seine Wohnung und die Studien seiner Kinder - aber er präsentiert keine einzige inhaltliche Position, auf die andere KandidatInnen eingehen könnten", so der Grüne.
Auch in sozialen Netzwerken sorgte Freunds Aussage für Verwundung, Spott und Häme. So hat sich auf Facebook am Sonntag bereits eine Gruppe formiert, in dem die Sager des SPÖ-Spitzenkandidaten unter die Lupe genommen werden. Ihr Name: "Freund'scher Versprecher".
Auszüge aus dem Interview
profil: Wie viel verdient ein Arbeiter im Durchschnitt? Freund: Ich weiß es nicht – ungefähr 3000 Euro brutto? profil: Um ein Drittel weniger, 2000 Euro pro Monat. Freund: Netto? profil: Brutto. Freund: Das ist sehr wenig. Aber ich glaube nicht, dass ich etwas dafür kann. [...] profil: Grüßen Sie mit "Freundschaft“? Freund: Nein. Ich habe mich immer gewundert, dass im ORF ab 10.30 Uhr jeder mit "Mahlzeit“ grüßt. Das kommt mir so seltsam vor wie … profil: Der Gruß "Freundschaft“? Freund: "Freundschaft“ ist halt ein Ritual. Ich habe solche Rituale nicht. [...] profil: Worauf freuen Sie sich am meisten im Wahlkampf? Freund: Auf die Gespräche mit den Leuten. Ich bin ein sehr geselliger Mensch. Da geht es mir wie Bill Clinton. Der hat den Kontakt zu den Menschen auch nie gescheut.
Die „Fehlleistung“ von Spitzenkandidat Eugen Freund, was ein Arbeiter verdient, überschattet den Start zur Europawahl und vermasselt Faymanns EU-Kursbestimmung.