Ganz schön laut: EU-Lärmschutzrichtlinie für Orchester

EPA (Eduardo Abad)
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Mit einer kuriosen Entscheidung lässt Brüssel im wahrsten Sinne des Wortes "aufhorchen". Die Lärmschutzrichtlinie erfasst nun auch die Musik von Symphonieorchestern.

Wer hätte sich gedacht, dass nun auch bei klassischen Symphoniekonzerten Ohrenstöpsel angebracht wären? Seit Jahren kategorisiert die EU in ihrer Lärmschutzrichtlinie jene Berufe, die bei ihrer Geräuschkulisse an einem durchschnittlichen Arbeitstag 85 Dezibel überschreiten. Das Kapitel "Musik- und Unterhaltungssektor" wurde dabei jedoch stets übergangen. Dies ändert sich nun - mit einigen kuriosen Entscheidungen. Wer hätte etwa gedacht, dass bei Richard Wagners "Ring der Nibelungen" die 85 Dezibel-Grenze pausenlos überschritten wird?

Laut wie Presslufthammer

Violinen bringen es bei Wagner auf Spitzen von 109 Dezibel. Die Trompeten und Tubas erreichen einen Spitzenwert von 110 Dezibel, die Posaunen immerhin noch 108. Flöten erreichen mit ihren Höchstwerten sogar 118 Dezibel. Diese Lautstärke wäre mit einem Presslufthammer zu vergleichen.

Tatsächlich ist Lautstärke auch für das Orchester ein Problem. Die meisten Orchester denken bei der Zusammenstellung eines Konzertprogramms an die Schonung der eigenen Ohren. Viele nehmen durch die Aufstellung und die Ausstattung des Orchestergrabens darauf Rücksicht, manche behelfen sich mit Schallbarrieren oder kostspieligem Spezialgehörschutz.

Ein australisches Orchester hat beispielsweise deshalb zwei Besetzungen - eine für die erste und eine für die zweite Hälfte des Abends, um den Mitgliedern des Orchesters den "Lärm" nicht ständig zuzumuten.

Die gefährliche Klassik

Die "Gefährlichkeit" klassischer Musik ist schon länger bekannt. Menschenleben hat sie noch keines gekostet, jedoch sind Verluste in der Tierwelt zu beklagen.

Dänische Opernsänger sollen etwa am Tod eines Okapi schuld sein. Das Jungtier erlag 1994 im Zoo von Kopenhagen nach den ersten Takten einer "Tannhäuser"-Aufführung im benachbarten Park angeblich einem tödlichen Schock.

Es ist in der Tat durch Studien belegbar, dass dem Ohr vor allem die konstante Geräuschkulisse schadet. Da Lärm jedoch zumeist mit Begriffen wie "störend", "nervig" und "unangenehm" assoziiert wird, werden lautstarke Alltagsklänge wie Musik übersehen, obwohl sie das Ohr genauso schädigen wie der Lärm einer Baustelle.

"Wir sind ohnehin schon alle taub"

Dass musikalische Ausdrucksfreiheit nun jedoch Regeln aus Brüssel folgen soll, stößt in der Branche auf Kopfschütteln. Staatsoperndirektor Ioan Holender erklärte, die Anwendung der Richtlinie auf klassische Musik sei, als würde man nicht zwischen "Unkraut und den schönsten Blüten" unterscheiden können. Libor Pesek, Dirigent der Prager Symphonie, meinte, die Regeln könnten "in Symphonieorchestern nicht funktionieren. Wie soll man sie zum Beispiel auf Gustav Mahler anwenden, oder auf Richard Strauss?" Außerdem komme die Norm zu spät: "Wir sind ohnehin schon alle taub."

(APA/Red.)

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