"Gläserne Bürger": EU nimmt Flugpassagiere ins Visier

(c) AP (Matthias Rietschel)
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Justizkommissar Frattini will, dass Fluglinien Daten ihrer Passagiere an die Behörden des Ziellandes weiterleiten. So soll ein "Risikoprofil" der Reisenden erstellt werden.

Als die USA im Mai 2006 begannen, die Daten europäischer Fluggäste zu speichern und diese zur Suche nach Terroristen heranzogen, war der Aufschrei der Datenschützer groß. Nun will EU-Justizkommissar Franco Frattini das umstrittene US-System für die EU übernehmen und nur geringfügig adaptieren. Das geht aus dem Entwurf eines Gesetzesvorschlags hervor, den die britische Nichtregierungsorganisation Statewatch am Montag - einen Tag vor der offiziellen Präsentation durch Frattini - im Internet veröffentlichte.

Daten 13 Jahre gespeichert

Geht es nach Frattini, dann sollen Fluglinien bei Flügen aus der EU in Drittstaaten und umgekehrt bis zu 19 unterschiedliche Passagierdaten an das betroffene EU-Land übermitteln. Starten soll das europäische Flugpassagierdaten-System spätestens am 31. Dezember 2010. Anhand der Daten soll wie in den USA für jeden Fluggast eine "Risikoanalyse" erstellt werden. Einziger Unterschied: In der EU sollen die Daten 13 Jahre gespeichert werden, das Passagierdaten-Abkommen mit den USA erlaubt den dortigen Behörden 15 Jahre lang, die Daten zu verwerten.

Zudem sollen in der EU sensible Informationen, die Rückschlüsse etwa auf die Religionszugehörigkeit von Reisenden zulassen, sofort gelöscht werden. Die US-Behörden behalten sich hingegen ausdrücklich die Möglichkeit vor, in bestimmten Fällen auch auf solche Daten zurückzugreifen. Gespeichert werden sollen sowohl die Daten von Drittstaatsangehörigen als auch von EU-Bürgern. Die Fluggesellschaften sollen dazu bei Verbindungen zwischen Europa und anderen Weltregionen ihre Buchungs-Informationen an den EU-Staat übermitteln, in dem ihre Maschine landet oder startet.

Europaweiter Austausch möglich

Jede Regierung, so steht es im Frattini-Papier, soll eine spezielle Behörde mit der Datenspeicherung beauftragen. Diese kann die Informationen "an Strafverfolgungsbehörden weitergeben, die für die Bekämpfung von terroristischen Vergehen und organisiertem Verbrechen zuständig sind". Auch ein Austausch der Passagierdaten unter den 27 EU-Staaten wäre nach dem Entwurf möglich.

Jede EU-Regierung kann danach eine andere um spezifische Datensätze bitten, wenn sie diese zur Bekämpfung von Terrorismus oder organisiertem Verbrechen benötigt. Die Datenschützer von Statewatch kritisierten dies scharf. "Dies ist eine weitere Maßnahme, die jedermann der Kontrolle unterwirft und jeden zu einem 'Verdächtigen' macht", erklärte Statewatch in einer Pressemitteilung.

Auch die Datenschutzbeauftragten der Mitgliedstaaten stehen der Einführung eines europäischen Flugpassagierdaten-Systems kritisch gegenüber, wie die EU-Kommission im Entwurf ihres Gesetzesvorschlags selbst einräumt. Die Datenschutzexperten seien um Stellungnahme gebeten worden und seien "von der Notwendigkeit eines solchen Vorschlags nicht überzeugt", heißt es in dem Papier. Damit der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission in Kraft tritt, bedarf es der Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten, dem Europaparlament hingegen wird nur eine beratende Rolle zugestanden.

Fluggastdaten (Passenger Name Records - PNR)

Fluggastdatensätze (Passenger Name Records - PNR) werden für jeden Flug angelegt, der von einem Reisenden gebucht wird, und in den computergesteuerten Buchungs- und Abfertigungssystemen der Fluggesellschaften gespeichert.

Anhand der Fluggastdatensätze können die in der Abwicklung von Flugreisen tätigen Unternehmen und Einrichtungen - vom Reisebüro bis hin zu den Abfertigungshallen - auf alle mit der Flugreise des Passagiers zusammenhängenden Daten zugreifen.

Anzahl und Inhalt der Felder mit Informationen in einem Fluggastdatensatz variieren je nach Fluggesellschaft und Passagier und können bis zu 60 Felder aufweisen. Bestimmte Daten werden schon jetzt für die Passkontrolle an die Behörden in den Zielländern weitergegeben.(Ag./Red.)

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