Die neue Außengrenze: Eine Woche Wartezeit

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Die neuen Schengen-Staaten machen die heikle Grenze zu Russland, Ukraine und Weißrussland dicht.

Tallinn. Ein kilometerlanger Rückstau von Lastwagen vor der Brücke von Narva gibt den Esten einen Vorgeschmack auf künftiges Ungemach. Ab 21. Dezember wird die estnisch-russische Grenze hier, gemeinsam mit ein paar finnischen Übergängen, die östlichste Schengen-Außengrenze bilden, mit noch schärferen Kontrollen in beide Richtungen. Schon im Vorfeld müssen die Trucker tagelang warten, bis sie sich zur Zollabfertigung vorgekämpft haben. An den lettisch-russischen Grenzposten Terehova und Grebneva ist die Lage mittlerweile prekärer. Bis zu 2000 Lkw müssen dort Wartezeiten von bis zu einer Woche in Kauf nehmen. Ähnlich ist die Lage an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Probleme mit russischem Zoll

Dass der Schengen-Beitritt zur Entspannung führt, widerlegt der Blick nach Finnland. Auch dort ist die schleppende Grenzabfertigung ein so ernstes Problem, dass Präsidentin Tarja Halonen es kürzlich bei einem Besuch bei ihrem Kollegen Wladimir Putin zum Topthema machte. Weder modernste Elektronik noch Schengen-Datenbasen brächten Abhilfe, meint der finnische Forscher Ilmari Larjavaara: „Der russische Zoll ist weitgehend korrupt. Das ist das Problem.“

Doch auch auf der baltischen Seite gibt es Schwierigkeiten mit dem Grenzpersonal. Die niedrigen staatlichen Löhne sind nicht attraktiv für clevere junge Leute, weshalb die besten Kräfte in Scharen in lukrativere Jobs überlaufen. Zwar versichert eine Sprecherin des estnischen Innenministeriums, dass „der Mangel an Personal die Erfüllung unserer Verpflichtungen nicht beeinträchtigt“, doch estnische Medien berichteten über das Fehlen von Hunderten von Grenzwächtern. Nach dem Schengen-Start kann Personal, das jetzt noch an den innerbaltischen Grenzen Wache schiebt, zum Dienst an die Außengrenzen abkommandiert werden. Innenminister Jüri Pihl baut überdies auf elektronische Grenzkontrollen, bei denen Personen mit biometrischen Pässen an Sicherheitsschranken automatisch visitiert werden.

Während die Balten auch bisher visumfrei in der EU reisen konnten, macht der Schengen-Beitritt das Leben für die im Baltikum ansässigen Russen leichter. Da jeder, der im Schengen-Raum einen festen Wohnsitz hat, künftig frei reisen kann, brauchen auch russische Bürger, die in Estland oder Lettland leben, für den Urlaub in Spanien oder die Dienstreise nach Deutschland künftig kein Visum mehr. Härter wird es hingegen für die russischen Grenzgänger, die bisher mit leicht erhältlichen Jahresvisa ihre Verwandten im Baltikum besuchen konnten. Künftig ist ihr Visum ein Papier, das den ganzen Schengen-Raum öffnet, und entsprechend schwieriger zu bekommen.

In den baltischen Medien überwiegt die Skepsis gegenüber unerwünschten Gästen die Vorfreude auf die Abschaffung der Passkontrollen innerhalb des EU-Raums. Litauen verstärkt bereits an den Grenzen zu Weißrussland Aktionen gegen das Schlepperwesen. Man fürchtet nämlich einen Zustrom illegaler Immigranten, die sich nach Litauen schleusen lassen, um von dort unkontrolliert in reichere EU-Länder weiter zu ziehen.

DIE AUSSENGRENZE

Ab 21. Dezember werden Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakei, Ungarn und Slowenien die neue Außengrenze des Schengen-Raums kontrollieren. Ihre technische Ausrüstung musste verbessert und der Personalstand erhöht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2007)

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