Erweiterung: Türkei ringt intern um Reformen für die EU

Noch im Jänner soll das Parlament eine Strafrechtsreform beschließen, doch in der Regierungspartei AKP gibt es Widerstand.

ISTANBUL (APA, red.). Nach Monaten des Stillstands will die türkische Regierung wider Schwung in die Reformen bringen, die für einen EU-Beitritt notwendig sind. Als erstes soll der umstrittene Strafrechtsparagraf 301 reformiert werden, der eine Beleidigung des Türkentums unter Strafe stellt.

Justizminister Mehmet Ali Sahin hat bereits eine Abänderung des Paragrafen ausgearbeitet. Mit ihr soll verhindert werden, dass künftig nationalistische Gruppen das Strafrecht dafür nutzen, kritische Schriftsteller vor Gericht zu stellen. Vorgesehen ist, dass nur noch mit Genehmigung des Justizministers ein Verfahren auf Grundlage des Paragrafen 301 eröffnet werden darf. Außerdem sol der Paragraf entschärft werden. Allerdings ist Sahin bisher nicht gelungen, die Reform von der gesamten Regierung absegnen zu lassen. Innerhalb der regierenden AKP gab es schon bisher Widerstand gegen eine Abänderung.

Glaubwürdigkeitsproblem

In Brüssel geht freilich die Geduld mit der türkischen Regierung zu Ende. Die EU-Kommission hat in ihrem Fortschrittsbericht vom vergangenen November von der Türkei deutliche Reformanstrengungen bei der Meinungs- und Religionsfreiheit gefordert. Die zögerliche Haltung Ankaras belastete zuletzt auch die Glaubwürdigkeit der Regierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan innerhalb der EU. Selbst pro-türkische EU-Politiker waren zunehmend verstimmt. Zu lange wurden Reformen bereits in Aussicht gestellt.

In der türkischen Hauptstadt war erwartet worden, dass das Parlament die Strafrechtsreform noch vor dem 19. Jänner absegnen wird. An diesem Tag jährt sich zum ersten Mal die Ermordung des armenisch-türkischen Intellektuellen Hrant Dink. Er war zuerst von Nationalisten der Beleidigung des Türkentums angeklagt und dann von Jugendlichen Extremisten getötet worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2008)

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