„Kopie des Nahen Ostens in Europa“

Busek-Nachfolger Biscevic hofft auf Fortsetzung des EU-Kurses in Serbien.

Die Presse: Welche Ziele hat der neue Regionale Kooperationsrat?

Hido Biscevic: Wir beerben den EU-Stabilitätspakt. Der hatte sich mit den unmittelbaren Folgen der Kriege in Südosteuropa beschäftigt und die Idee von Versöhnung in dieser Region propagiert. Jetzt hat aber in Südosteuropa eine neue Ära begonnen. Die Region hat ein neues Niveau von Beziehungen zur EU und zur Nato erreicht. Alle Mitglieder des Regionalen Kooperationsrates sind mit der EU verbunden – entweder als Mitglieder oder als Kandidaten oder über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen. Unsere Hauptaufgabe ist nun, Synergien zu schaffen zwischen den Ambitionen der Regierungen Südosteuropas und der Erweiterungsstrategie der EU.

Steht dem nicht die Erweiterungsmüdigkeit in der EU entgegen?

Biscevic: Der Erweiterungskurs muss fortgesetzt werden. Man kann den Balkan nicht unter einen Glassturz stellen und dort für einige Jahre zwischenlagern. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für die EU, um strategische Entscheidungen auf Basis der Thessaloniki-Agenda (Förderung der EU-Annäherung des Balkans, Anm.) zu treffen. Wir brauchen eine Vision, wo wir die Länder Südosteuropas in zwanzig Jahren sehen wollen. Und dann müssen wir den geeigneten Weg dorthin einschlagen.

Die EU hat ja aber sogar Probleme, eine gemeinsame Linie in der Kosovo-Frage zu finden.

Biscevic: Die Kosovo-Frage führt nicht nur zu Spaltungen innerhalb der EU, sondern in der gesamten internationalen Gemeinschaft. Das weckt Erinnerungen an jene Zeit, als der Balkan die Spielwiese der Großmächte war. Wenn wir erlauben, dass sich das wiederholt, wird das abträglich sein – sowohl für die Menschen in Südosteuropa als auch für das Projekt eines gemeinsamen Europa. Wenn es die internationale Gemeinschaft nicht schafft, die offenen Fragen in Südosteuropa zu lösen, könnten Teile des Balkans zu einer Kopie des Nahen Ostens in Europa werden. Wir würden dann Dauerkrisen an der Schwelle zur EU haben. Wie könnte Europa mit so etwas leben?

Zuletzt sperrten sich einige EU-Länder gegen den Abschluss eines Stabilisierungsabkommens mit Belgrad. Sie fordern, dass zuerst gesuchte Kriegsverbrecher wie General Mladic ausgeliefert werden.

Biscevic: Jeder möchte alle Länder Südosteuropas in der EU sehen, denn das würde das Projekt des vereinten Europa vollenden. Aber zugleich muss jeder Staat die nötigen Voraussetzungen erfüllen. Natürlich glaube ich fest, dass auch Serbien Mitglied der EU und der euroatlantischen Familie werden soll. Zugleich muss es aber die nötigen Voraussetzungen für den EU-Annäherungsprozess erfüllen – einschließlich der erforderlichen Zusammenarbeiten mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal. Je länger Serbien es hinauszögert, sich dem Kriegsverbrecher-Problem zu stellen, desto härter wird es für das Land.

Könnte das Kosovo-Problem auch die Kooperation innerhalb Südosteuropas gefährden? Serbien hat ja bereits mit Sanktionen gegen die Länder gedroht, die einen unabhängigen Kosovo anerkennen.

Biscevic: Was auch immer mit dem Kosovo passiert: die Periode der politischen Unsicherheiten wird hoffentlich nur kurz währen. Wir verstehen alle, wie heikel die Kosovo-Frage für Serbien ist. Ich hoffe nur, dass die unmittelbare Reaktion Belgrads auf einen unabhängigen Kosovo nicht Serbiens Orientierung in Richtung euroatlantischer Integration und die Zusammenarbeit im Regionalen Kooperationsrat beeinträchtigt. Aber ich denke, Serbien wird langfristig seine Interessen in Europa wahren. Wir erwarten auch, dass die Politiker im Kosovo Ruhe, Realismus und Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen.

Und wenn Herr Nikolic neuer serbischer Präsident werden sollte?

Biscevic: Ich persönlich glaube, dass es im Interesse Serbiens ist, die proeuropäische demokratische Reformpolitik fortzusetzen. Das ist im strategischen Interesse der Menschen in Serbien. Damit kann eine solide Basis dafür geschaffen werden, dass Serbien wieder eine wichtige Rolle auf dem Balkan und in Europa spielt.

WISSEN

Der Kroate Hido Biscevic ist Generalsekretär des neuen Regionalen Kooperationsrates für Südosteuropa, der Anfang Februar die Arbeit aufnimmt. Der Kooperationsrat ist das Nachfolge-Gremium des Balkan-Stabilitätspakts, der vom Österreicher Erhard Busek geleitet worden war. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2008)

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