EU schafft keine gemeinsame Linie zum Kosovo

Erklärung des Vorsitzes überlässt Anerkennung den Mitgliedstaaten. Österreich könnte am Mittwoch „Ja“ sagen.

Brüssel. Die Hoffnungen, die der Kosovo in Europa gesetzt hatte, zerbarsten am Montag: Die EU-Außenminister konnten sich bei ihrem Treffen in Brüssel nicht auf eine einheitliche Linie zum jüngsten Staat Europas einigen. Ein Entwurf der slowenischen EU-Präsidentschaft für die gemeinsame Erklärung der Außenminister untermauerte diese Unentschlossenheit noch: Aufgrund der aktuellen Entwicklungen sollten die 27 EU-Staaten „in Übereinstimmung mit nationalen Praktiken und rechtlichen Normen entscheiden, ihre Beziehungen mit dem Kosovo als unabhängiger Staat unter internationaler Kontrolle aufzubauen“. Alles eine bilaterale Frage also – kein „starkes europäisches Signal“, das man aus Brüssel zwar an die frühere südserbische Provinz schicken wollte, aber offenbar nicht konnte.

Den Spaniern ging der Entwurf des EU-Vorsitzes noch zu weit. In einem Gegenentwurf beriefen sie sich auf die „Prinzipien der territorialen Integrität von Staaten“, eine Anerkennung des Kosovo wird in Madrid derzeit ausgeschlossen. In Spanien wird am 3. März gewählt. Eine Anerkennung des Kosovo würde den Separatisten im eigenen Land Auftrieb verleihen, so die Sorge. „Die Regierung Spaniens wird diesen einseitigen Akt, der vom Kosovo-Parlament proklamiert worden war, nicht anerkennen“, sagte Außenminister Miguel Angel Moratinos laut Austria Presseagentur. Die Unabhängigkeit widerspreche gar dem internationalen Recht, behauptete er.

Davor hatte es bereits aus zahlreichen größeren EU-Hauptstädten geheißen, man werde mit einer Anerkennung noch zuwarten – oder überhaupt darauf verzichten.

Österreich unter den Ersten

Aus sechs Ländern kam ein striktes Nein. Auch die österreichische Regierung setzte vorerst offiziell auf eine abwartende Position. Montagabend verdichteten sich aber die Anzeichen, dass Österreich den Kosovo am Mittwoch anerkennen dürfte. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hatte im Vorfeld signalisiert, er sei für eine baldige Anerkennung. Außenministerin Ursula Plassnik meinte, es gehe nicht um das Tempo oder „einen Wettbewerb“ unter den EU-Staaten: „Wir werden mit unseren europäischen Partnern synchronisiert arbeiten.“

Widerstand kam weiterhin von Zypern. Es befürchtet, dass sich das türkisch besetzte Nordzypern bei einer breiten Anerkennung durch die EU ein Vorbild nehmen und ebenfalls abspalten könnte. Außer Zypern und Spanien standen bis zuletzt Griechenland, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei einer raschen Anerkennung im Weg. Die Slowakei werde keine diplomatischen Beziehungen mit dem Kosovo aufnehmen, erklärte der slowakische Außenminister Jan Kubis.

Einig sind sich die EU-Staaten nur bei der Entsendung der EU-Mission „Eulex“, welche die Kosovaren ab Juni beim Aufbau ihres Staates unterstützen soll.

Dabei wäre eine gemeinsame Linie der EU-Staaten für den Kosovo besonders wichtig. Denn die grundsätzlich pro-kosovarischen USA wollen ihr weiteres Vorgehen von den EU-Staaten abhängig machen. Im UN-Sicherheitsrat werden sie mit Großbritannien und Frankreich für den neuen Staat argumentieren. Ganz im Gegensatz zu Russland, das als „Schutzmacht“ der Serben gilt und den Kosovo „nicht zur Kenntnis nimmt“, wie es ein hoher Diplomat ausdrückte.

Der EU drohen mit Serbien, das die Loslösung des Kosovo nicht akzeptiert, hingegen erhebliche Spannungen. Die EU-Kommission betont zwar, dass ihre „Hand ausgestreckt“ sei, so Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Doch auf ein Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen als Vorstufe zu einem EU-Beitritt kann Belgrad nicht so bald hoffen: Vor allem die Niederlande drängen darauf, dass zuerst der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert werden muss.

Berlin streut Belgrad Rosen

BERLIN (vier). Deutschland hat es nicht eilig mit der Anerkennung des Kosovo. Berlin setzt auf ein gemeinsames Vorgehen der EU, stellte Kanzlerin Angela Merkel am Montag klar. Sie würdigte einerseits, dass die EU-Troika den Boden für die Unabhängigkeit des Kosovo bereitet habe. „Freiheit und Demokratie hätten ohne die EU eine sehr viel schlechtere Chance auf dem Balkan.“ Es sei jetzt die Gelegenheit, die Gräben zu überwinden. Zum anderen aber betonte sie den Ausnahmecharakter der ehemaligen Unruheprovinz: „Kosovo ist ein Fall sui generis und mit nichts anderem zu vergleichen.“Es gehe jetzt darum, „aus der faktischen Realität das Beste zu machen“, so Merkel.

„Die serbischen Interessen liegen uns am Herzen“, versicherte die Kanzlerin in einem Gespräch mit der Auslandspresse in Berlin. Als oberstes Prinzip bezeichnete sie den Respekt vor den Minderheiten im Kosovo. Dies sei die Grundlage für eine europäische Perspektive. Die Beziehungen zu Russland sieht Merkel durch den Streit um die Anerkennung nicht gefährdet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2008)

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