Bulgarien: Korruption mit EU-Geldern explodiert

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Während sich die Korruption zunehmend auf EU-Hilfen verschiebt, mangelt es der staatlichen Verwaltung an Kapazität zur Verwaltung der europäischen Finanzhilfen.

SOFIA. Neue Entwicklungen im Skandal um Unregelmäßigkeiten mit EU-Geldern in Bulgarien: Gergana Beremska und Dimtscho Michalevski – hochrangige bulgarische Beamte und Leiter der Agenturen für die Phare-Gelder im Finanzministerium bzw. im Ministerium für Regionalentwicklung – gaben am Dienstagnachmittag ihren Rücktritt bekannt. Über die Motive war zunächst nichts zu hören. Anhaltender Druck aus Brüssel wegen Unregelmäßigkeiten bei den EU-Fonds dürfte aber zum Abtritt von Beremska und Michalevski geführt haben.

Anfang März hatte Brüssel die Phare-Gelder eingefroren – wegen fehlender Kontrolle durch die bulgarischen Organe und vermuteter Misswirtschaft in 25 Fällen. Vom Auszahlungs-Stopp sind nicht nur 75 Millionen Euro aus dem Phare-Topf, sondern auch Gelder aus den anderen beiden Vor-Beitritts-Programmen Ispa (300 Mio. Euro) und Sapard (82 Mio. Euro) betroffen.

Als Anlassfall für Brüssels Unmut gilt ein Betrugsskandal, der bereits 2006 ans Licht kam: Der Geschäftsmann Liudmil Stoikov – Unterstützer von Staatspräsident Georgi Parvanov bei den letzten Wahlen – hatte Sapard-Gelder im Wert von 7,5 Millionen Euro zum Ankauf von landwirtschaftlichem Gerät bezogen. Stoikov kaufte alte Maschinen – und zweigte den Großteil des Geldes ab. Die EU kritisiert, dass der Fall noch immer nicht vor ein bulgarisches Gericht gekommen sei.

EU-Fonds – ein Kanal für Korruption? Für Ruslan Stefanov ist das nicht verwunderlich. Der Anti-Korruptions-Experte des unabhängigen Sofioter Forschungsinstituts „Zentrum für Demokratiestudien“ (CSD) schätzt, dass in Bulgarien bei öffentlichen Aufträgen ein Fünftel der Gelder durch Korruption verloren gehen. Für ihn ist es nur zu logisch, dass auch die EU-Töpfe mit ihren für bulgarische Verhältnisse beträchtlichen Summen zum Ziel werden. „Es besteht die Gefahr, dass sich diese Praxen auch auf die Strukturfonds übertragen“, warnt Stefanov. Bulgarien soll in der Zeit von 2007 bis 2013 sieben Milliarden Euro an EU-Strukturhilfen erhalten.

Probleme auf höchster Ebene

Schlüsselsektoren der Fonds – wie etwa Infrastruktur, Regionalentwicklung, Umwelt und Energie – werden zur Arena von Machtkämpfen, heißt es dazu in einem Bericht des Zentrums. Denn hier gibt es finanziell einträgliche Projekte zu holen. Korruption verschiebt sich daher auf höhere politische Ebenen – dorthin, wo öffentliche Aufträge vergeben werden. Politische Kräfte und ihnen nahe stehende Geschäftsleute kämpfen um Gelder und Einfluss. Politiker wie Achmed Dogan, Chef der Partei „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS) und einflussreicher Partner in der Dreier-Koalition, stehen gar offen zu dieser klientelistischen Praxis. Dogan erklärte vor einiger Zeit, dass Parteien mit einem „Kreis an Firmen“ vollkommen normal seien. „Da diese Firmen der Partei zur Macht verholfen haben, wird ihnen nun geholfen“, erklärt Stefanov den Mechanismus. Laut dem Experten ein „Teufelskreis“: Neben den finanziellen Verlusten für die Gesellschaft würden so häufig Firmen gefördert, die eigentlich nicht konkurrenzfähig sind. Rechtschaffene Player würden hingegen ausgeschaltet.

Ein weiteres Problem: Der bulgarischen Verwaltung mangelt es schlicht an Kapazität. Die staatliche Bürokratie sei auf die Administration derart großer Geldsummen nicht vorbereitet, sagt Korruptions-Experte Ruslan Stefanov. Und zwar sowohl was das Know-how als auch das Personal betrifft. „In Bulgarien wurde lange Zeit nicht in Humankapital investiert. Man kann nicht in kurzer Zeit eine Verwaltung aufbauen, die den hohen europäischen Standards entspricht.“ Problematisch sei auch die niedrige Entlohnung. „Ein junger Beamter erhält 200 Euro im Monat. So kann man kein gutes Personal anziehen.“ Doch die strukturellen Versäumnisse könnten sich als langfristiger Stolperstein bei der Mittel-Verteilung erweisen. Die Regierung hat nun ein kurzfristiges Maßnahmen-Paket verabschiedet, dass mehr Kontrolle sicherstellen soll. Für Stefanov nicht genug: Er fordert langfristige gesetzliche Maßnahmen für mehr Transparenz, Kontrolle durch unabhängige Institutionen sowie eine Veröffentlichung der Firmen, die EU-Ausschreibungen gewinnen.

Genug Geld im Staatsbudget

Nach dem 15. April wird die EU-Kommission über das weitere Vorgehen im Phare-Programm entscheiden. Das Einfrieren der Zahlungen ist für die bulgarische Regierung derzeit (noch) kein Problem. Der Grund: Die Projekt-Empfänger erhalten die Gelder weiterhin pünktlich – derzeit eben aus dem gut gefüllten bulgarischen Staatshaushalt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2008)

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